piwik no script img

Kommentar UmweltvetoRevolution von innen

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Das Umweltministerium will ein Vetorecht, wenn andere Ressorts der Umwelt schaden. Doch das Recht kann nur so gut sein, wie die Politiker, die es nutzen.

Damit auch andere Ministerien grüner werden Foto: imago images / Westend61

D er damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hatte am 17. April 1988 eine total verrückte Idee: Er forderte im Spiegel, sein Ministerium solle künftig ein Veto einlegen dürfen, wenn Gesetzesvorlagen anderer Ressorts der Umwelt schaden.

Helmut Kohl kassierte den Vorschlag, und es ward nie wieder davon gehört – bis jetzt. Nun fordert der Sachverständigenrat für Umweltfragen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, auch das Töpfer’sche Umweltveto. Damit könnte Umweltpolitik zum Maßstab ­allen politischen Handels gemacht werden. Eine oft benutzte Sonntagsredenphrase würde so endlich Realität.

Zwar würde das Land damit nicht automatisch so radikal Klima- und Umweltschutz betreiben, wie es das Artensterben und die CO2-Konzentration nötig machen. Aber es wäre ein umwerfendes politisches Signal, würde eines der größten Industrieländer seiner Umweltministerin ein Vetorecht bei allen Entscheidungen einräumen. Denn seit Jahren schrumpft deren Zuständigkeit erheblich: 2013 wanderte das Thema Energie ins Wirtschaftsministerium, 2018 bekam Horst Seehofer die Abteilungen für Bau fürs Innenministerium geschenkt.

Das Umweltministerium (BMUB) ist gerupft, ein Seismograf dafür, wie unwichtig Klimaschutz oder Artenvielfalt für die Bundesregierung geworden ist. Aber ein alleiniges Aufwerten des Ministeriums würde nicht genügen. Ökologie muss alle Politikfelder durchdringen – genau darauf zielt der Sachverständigenrat jetzt ab.

Institutionen sind allerdings immer nur so gut wie die Menschen, die in ihnen arbeiten. Ein Superumweltministerium, an dessen Spitze etwa ein alter, grantelnder CSU-Chef sitzen würde, wäre den Namen nicht wert, den es trüge. Würde die Bundesregierung die Vorschläge des Rates umsetzen, wäre nichts gewonnen, wenn sich kein überzeugendes Personal findet.

Die Frage ist daher: Wo in der Union sind Umweltpolitiker*innen vom Schlage eines Klaus Töpfer? Die Suche geht weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!