Kommentar Umgang mit der Türkei: Erdoğans Allmachtsgefühle
Als Nato-Partner wird er gebraucht, die EU lädt bei ihm Flüchtlinge ab. Verständlich, wenn Erdoğan glaubt, alles tun zu können, was ihm beliebt.
I mmer wieder erweist es sich als Fehler, wenn westliche Länder die Augen vor Menschenrechtsverletzungen bei Bündnispartnern verschließen. Wie – scheinbar – klug die Gründe dafür auch jeweils sein mögen. Im Hinblick auf die Türkei unter Präsident Erdoğan ist das schon zu lange geschehen. Deshalb haben die EU, die Nato und die USA jetzt ein Problem.
Es war richtig, dass der Westen den gescheiterten Putsch in der Türkei verurteilt hat. Was immer man von Erdoğan hält: Wer im Militär ein geeignetes Instrument zur Rettung der Demokratie sieht, kann gleich einen Fuchs mit dem Schutz von Gänsen beauftragen.
Allerdings wäre es schön, wenn sich die Hüter der westlichen Wertegemeinschaft dessen auch erinnerten, wenn in Staaten außerhalb des Bündnisgebiets eine demokratisch gewählte Regierung vom Militär abgelöst wird – wie beispielsweise 2013 in Ägypten. Sonst leidet die Glaubwürdigkeit. Ägypten möchte den Putschversuch in der Türkei übrigens nicht verurteilen. Den Beziehungen von Kairo zum Westen wird das vermutlich nicht schaden.
Da dies so ist: Warum sollte Erdoğan es ernst nehmen, wenn der Westen auf der Beachtung von Menschenrechten beharrt? Er hat gute Gründe für Allmachtsgefühle. Als Nato-Partner wird er gebraucht, die Europäische Union lädt bei ihm Flüchtlinge ab. Verständlich, wenn er glaubt, alles tun zu können, was ihm beliebt.
Vielleicht überreizt er jetzt doch sein Blatt. Der kaum verbrämte Vorwurf, die USA seien – irgendwie – in den Putsch verwickelt und man sei – so halb – im Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten: der überschreitet sicherlich eine rote Linie. Aber bedeutet das irgendetwas Konkretes?
Niemand scheint eine Antwort darauf parat zu haben. Weil sich der Westen, wieder einmal, von einem Diktator abhängig gemacht hat. Und wieder einmal werden darunter zuerst Oppositionelle und Menschenrechtler leiden. Es ist eine Schande.
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