Kommentar USA in der islamischen Welt: Eine Obama-Rede in Gaza
Der schnellste Präsident hat auch in der islamischen Welt bereits eine wichtige Zäsur gesetzt. Um wirklich innovative Politik zu machen, müsste Obama allerdings eine Rede in Gaza halten.
Bernd Pickert ist Auslandsredakteur der taz.
Auf solche Worte hat die Welt lange gewartet. Was der neue US-Präsident Barack Obama im ersten Interview seit seiner Amtsübernahme dem arabischen Sender al-Arabija zu sagen hatte, beschrieb zwar nur in wenigen Punkten einen konkreten Politikwechsel. Doch allein Obamas Tonfall und seine Respektsbezeugung gegenüber der islamischen Welt setzen eine wichtige Zäsur.
Sicher, schon bald kommt es auf konkrete Ergebnisse an. Der neue US-Vermittler George Mitchell ist bereits in der Region unterwegs. Wenn er wirklich zunächst einmal zuhört und seine Partner ihm die Wahrheit sagen, dann dürfte er die Dimension des Scherbenhaufens noch klarer erkennen, den die USA in der Region wegzuräumen haben. Obama hat damit bereits begonnen, aber die eigentlichen Knackpunkte hat er bislang umschifft. So ist Guantánamo wichtig als Symbol, aber das Haftlager im afghanischen Baghram ist von der Dimension her bedeutsamer, von den Bedingungen her grausamer - und für die Zukunft wichtiger, sollte Obama den Krieg tatsächlich vom Irak Richtung Afghanistan verschieben.
Bis Ende April, im Rahmen seiner ersten 100 Regierungstage also, will Obama in einer wichtigen Stadt der islamischen Welt eine Rede halten. Wo das sein wird, hat höchsten Symbolwert. Will Obama nicht einfach nur zurück zur alten US-Realpolitik vor George W. Bush, sondern auch für die unzufriedene arabische Bevölkerung eine Alternative zu Stagnation einerseits und Islamismus andererseits anbieten, dann dürfte er keinem der autoritären Regimes etwa in Riad, Kairo oder den Emiraten seine Aufwartung machen. Ginge er nach Irak oder Afghanistan, spräche er als Besatzer. Syrien, Iran oder Sudan scheiden vorerst aus, Indonesien würde passen, ist aber vom Konflikt zu weit weg. Bleibt Palästina. Ramallah wäre nur dann ein Zeichen des Wandels, wenn die Fatah-Regierung bis dahin Autorität und Legitimität gewonnen hätte, die ihr Israels Gaza-Angriff jetzt vollends genommen hat. Das immerhin müsste ohnehin ein Ziel von George Mitchell sein - aber in 100 Tagen? Eine Obama-Rede in Gaza, das wäre was. Aber das traut sich vermutlich nicht einmal der große Veränderer aus Washington. BERND PICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rassismus der CDU
Merz will Doppelstaatler ausbürgern
Dreikönigstreffen der FDP
Lindner schmeißt sich an die Union ran
Regierung in Österreich
Warnsignal für Deutschland
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Neunzig Prozent E-Autos bei Neuwagen
Taugt Norwegen als Vorbild?
Nach Unfällen zu Silvester
Scholz hält Böllerverbot trotz Toten für „irgendwie komisch“