Kommentar US-Überwachung: Bürgerrechte gelten für alle
Die Möglichkeiten deutscher und europäischer Politiker, die USA zu Wohlverhalten zu zwingen, sind begrenzt. Dennoch gilt: Man muss schon wollen.
W er angesichts der neuen Enthüllungen in Sachen NSA meint, das Hauptproblem bestehe in der Tatsache, dass das Handy der Kanzlerin abgehört wurde, kann beruhigt sein. Das wird sich kaum so schnell wiederholen. Zu peinlich wäre es, würde man sich dabei noch einmal erwischen lassen.
Nun finden jedoch manche Leute, dass Freiheitsrechte nicht ausschließlich für Spitzenpolitiker gelten sollten. Diese Leute haben allen Anlass zur Sorge. Es gibt nämlich nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die Bundesregierung die Rechte der Bevölkerung schützt oder zumindest den Versuch dazu unternimmt. Im Gegenteil.
Die Liste jener, die im Zusammenhang mit der NSA-Affäre schwere Fehler gemacht haben, ist lang – und keineswegs alle sitzen in den weit entfernten USA. Das Dumme ist nur: Selbst wenn alle Entschuldigungen ausgesprochen und sogar einige Rücktritte vollzogen werden, ändert das an der Situation nichts grundsätzlich. Weil allen Beteiligten der politische Wille dazu fehlt.
Gerade erst hat Kanzleramtschef Ronald Pofalla treuherzig erklären lassen, der Vorwurf der massenhaften Ausspähung von Deutschen habe sich nicht bestätigt. Kein Wunder, schließlich hat sich die Regierung gar nicht erst weiter um Aufklärung bemüht, sondern schlicht alles geglaubt, was der Geheimdienst NSA ihr sagte. Anders ausgedrückt: Sie hat dem Fuchs die Aufsicht über den Hühnerstall übertragen.
Widerlegt wurde der Vorwurf der Bespitzelung eines ganzen Volkes ebenfalls nicht, und das ist keine Überraschung. Schließlich hat sich bisher überhaupt nichts von dem als falsch herausgestellt, was Whistleblower Edward Snowden aufgedeckt hat. Man muss also befürchten, dass auch diese Information stimmt. Nun ist es nicht einfach, Geheimdienste an irgendetwas zu hindern, was technisch möglich ist. Dafür bedarf es massiven politischen Drucks.
Zugegeben: Die Möglichkeiten deutscher und europäischer Politiker, die USA zu Wohlverhalten zu zwingen, sind äußerst begrenzt. Aber die jüngsten Äußerungen von Pofalla und auch das Verhalten der Kanzlerin deuten darauf hin, dass beide sich vor allem eines wünschen: ein möglichst schnelles, geräuschloses Ende der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Hat ja gerade erst im Sommer auch schon ganz gut funktioniert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste