Kommentar US-Justiz: Skandal im Sinne des Gesetzes
Der Freispruch George Zimmermans in den USA war vorhersehbar. Dieser Skandal ist die Konsequenz verfehlter Politik.
G eorge Zimmerman ist frei und hat die Pistole zurück erhalten, mit der er im Frühjahr 2012 den 17jährigen Schwarzen Trayvon Martin erschossen hatte. Das Urteil war vorhersehbar – ein Skandal ist es trotzdem.
Die Geschworenen, die in dem Fall so entschieden, trifft hier kaum eine Schuld. Mit der absurden Gesetzeslage in Florida hatten sie kaum eine Chance, Zimmerman wegen Mordes zu verurteilen, wie die Staatsanwaltschaft es gefordert hatte. Denn das „Stand your Ground“-Gesetz, das den BürgerInnen erlaubt, tödliche Gewalt anzuwenden, wenn sie sich bedroht fühlen, dreht die Beweislast um. Nicht der Schütze muss beweisen, dass ihm tatsächlich keine andere Möglichkeit blieb, um sein eigenes Leben zu retten. Sondern die Anklage muss nachweisen, dass er keinen Grund hatte, sich bedroht zu fühlen.
Zimmerman war dem jungen Trayvon Martin gefolgt, offenbar nur, weil der schwarze Teenager mit Kapuzenpulli ihm irgendwie verdächtig vorkam. Vermutlich hätte es nie irgendeinen Kontakt zwischen beiden gegeben, wenn der selbst ernannte Nachbarschaftswächter Zimmermann nicht in seinem Kopf rassistische Vorurteile aktiviert hätte. All dies, was Martins Tod in den Augen vieler zum Lynchmord macht, spielte für die Jury keine Rolle mehr. Für die US-Gesellschaft allerdings schon.
ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Die Kombination aus rassistischen Vorurteilen, laxer Waffenkontrolle und per Gesetz sanktionierter Selbstjustiz wird immer wieder so etwas hervorbringen wie den Tod von Trayvon Martin. Auch George Zimmerman selbst kann nicht wirklich glücklich sein – er wird fortan um sein Leben bangen müssen, auf der Hut vor Racheakten. All das ist die Konsequenz verfehlter Politik.
Mag sein, dass die befriedende Strahlkraft eines schwarzen Präsidenten und die zur Ruhe mahnenden Kommentare vieler schwarzer Meinungsführer diesmal verhindern, dass es wie nach dem Rodney-King-Urteil 1992 zu massenhaften Unruhen mit vielen Toten kommt. Auf lange Sicht aber kann das nicht gut gehen. Wenn den USA der gesellschaftliche Frieden etwas wert ist, gehört „Stand your Ground“ abgeschafft, der massenhafte Waffenbesitz eingeschränkt, das Zusammenleben auf eine andere Grundlage gestellt als waffenstarrende Abschreckung. Der Trend geht in die andere Richtung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja