Kommentar US-Großkonzerne: Amazon zerschlagen! Und dann?

In den USA wird mal wieder über die Entflechtung von Großkonzernen diskutiert. Das ist gut. Energische Regulierung wäre besser.

Firmen zerschlagen? Godzilla fragen! Der weiß, wie's geht. Bild: ap

Großkonzerne beherrschen die Welt. Dies macht eine einzige Tatsache deutlich: Der globale Handel wird zur Hälfte nicht zwischen Staaten abgewickelt – sondern innerhalb von internationalen Unternehmen, die überall ihre Standorte haben.

Die Marktmacht der Großkonzerne erzeugt Angst. In den USA wird jetzt diskutiert, ob man nicht den Onlinehändler Amazon und die Investmentbanken an der Wall Street zerschlagen sollte. Berühmte Vorbilder gibt es ja. 1911 wurde Rockefellers Ölkonzern Standard Oil zerlegt und in 34 Einzelgesellschaften aufgeteilt.

Aber gerade die Geschichte von Standard Oil zeigt auch, dass reines Zerschlagen gar nichts bringt. Längst dominieren wieder wenige Ölkonzerne das gesamte Geschäft. Die anderen Firmen gingen pleite – oder wurden später aufgekauft. Rockefeller selbst profitierte sogar davon, dass seine Firma zerlegt wurde. Denn der Aktienkurs der Einzelbetriebe fiel zunächst dramatisch, sodass Rockefeller billig zuschlagen konnte. Als auch den anderen Anlegern dämmerte, dass das Ölgeschäft gar nicht gestört war, machte Rockefeller einen Kursgewinn von 200 Millionen Dollar – dies wären heute 5,7 Milliarden.

Die Entflechtung von Konzernen kann also ziemlich folgenlos sein, was auch bei den Investmentbanken gelten dürfte. Wenn man etwa JP Morgan in zehn kleinere Investmentbanken aufteilte, würden diese kleineren Institute trotzdem mit Derivaten spekulieren. Dies ist keine abstrakte Überlegung, sondern zeigt sich täglich bei den Hedgefonds oder Geldmarktfonds, den sogenannten Schattenbanken. Sie sind viel kleiner als normale Banken, aber ebenfalls brandgefährlich.

Es ist zwar richtig, gegen marktbeherrschende Unternehmen und Kartelle vorzugehen. Aber es reicht nicht, einfach Banken zu zerlegen. Man muss energisch regulieren. Wenn riskante Spekulationsgeschäfte nicht stattfinden sollen, dann muss man sie klar und für alle verbieten; dann darf man kein chaotisches Finanzgesetz wie den Dodd-Frank Act in den USA erlassen, der 8.066 Seiten umfasst und vorsätzlich Verwirrung stiftet.

Der Ruf nach der Kartellbehörde ist verlockend. Aber was ist gewonnen, wenn aus einem Riesen-Amazon zehn kleine werden, die gemeinsam den Markt beherrschen?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.