Kommentar UN und sexueller Missbrauch: Zu kurz gegriffen
Die Resolution war überfällig, doch ihre Definition ist ungenau. Sexuelle Ausbeutung von Zivilistinnen durch UN-Personal wird nicht unterbunden.
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D ie Resolution des UNO-Sicherheitsrates zur Bekämpfung von sexueller Ausbeutung und Missbrauch durch Mitglieder von Friedensmissionen war seit Langem überfällig. Die Hauptverantwortung für die skandalöse Zunahme dieser Verbrechen in den letzten Jahren, für den Mangel an Maßnahmen zu ihrer Prävention, Aufklärung und Sanktionierung liegt allerdings nicht in der New Yorker UNO-Zentrale.
Sie liegt vielmehr bei den Staaten, die Soldaten, Polizisten und Zivilangestellte für diese Friedensmissionen entsenden. Deshalb ist es neben den neuen Vorschriften für die Entsendestaaten ein besonders großer Fortschritt, dass der UNO-Generalsekretär künftig das Recht, ja die Pflicht hat, Mitglieder von Friedensmissionen nach Hause zu schicken, wenn ihre Entsendestaaten ebendiese Vorschriften nicht erfüllen.
Ein Manko dieser Resolution wie aller bisherigen UNO-Beschlüsse zu diesem Thema ist die unzureichende Definition von „sexueller Ausbeutung und Missbrauch“. Als Opfer und künftig besser zu Schützende werden zwar konkrete Personengruppen benannt, wie „Frauen und Kinder in Flüchtlingslagern“ oder Minderjährige. Doch die häufigste Form von Ausbeutung und damit Voraussetzung für körperliche wie strukturelle Gewalt fehlt: Sexuelle Beziehungen zwischen den – bislang zu 95 Prozent männlichen – Angehörigen von UNO-Friedensmissionen und erwachsenen Frauen aus der Zivilbevölkerung des Einsatzlandes bleiben weiterhin erlaubt.
Derartige Beziehungen erfolgten „einvernehmlich“, behaupten die Regierungen vieler Entsendestaaten, darunter auch die Bundesregierung. Das ist ein Mythos. Tatsächlich ist das Machtgefälle und damit Abhängigkeitsverhältnis zwischen Angehörigen einer UNO-Friedensmission und der Zivilbevölkerung ihres Einsatzlandes in jeglicher Hinsicht noch viel größer als bei der Prostitution in den Entsendestaaten. Die jüngste Resolution der UNO greift deshalb zu kurz.
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