Kommentar UN-Menschenrechts-Check: Kein Grund zur Selbstzufriedenheit

Die Anhörung vor dem Menschrenrechtsrat macht klar: Deutschland hat kräftig mitgewirkt an der Aushebelung des Flüchtlingsschutzes in der EU. Lampedusa ist ein deutsches Problem.

Der Menschenrechts-Check der Bundesrepublik, der am Montag im UN-Menschenrechtsrat abgehalten wurde, hat den segensreichen Effekt des fremden Blicks aufs Eigene. Er attackiert die eitle Haltung, dass bei uns ohnehin alles zum Besten bestellt sei und die deutsche Öffentlichkeit größere Verfehlungen nie dulden würde. Demgegenüber zeigte die Debatte in Genf erneut: Auch in Deutschland werden Menschenrechte, insbesondere solche von Flüchtlingen, missachtet.

Doch darf bei der Erörterung bundesrepublikanischer Versäumnisse eines keinesfalls unter den Tisch fallen: Die deutsche Menschenrechtsbilanz muss auch auf Lampedusa gezogen werden, wo die afrikanischen Bootsflüchtlinge anlanden. Einen großen Teil objektiver menschenrechtlicher Dilemmas hat Deutschland über die EU an die europäischen Außengrenzen abgeschoben. 1992 suchten über 400.000 Menschen in Deutschland Schutz, 1998 waren es noch 100.000, 2008 gab es nur mehr 22.000 Anträge auf Asyl. Nach der Einschränkung des Asylrechts 1993 haben deutsche Innenminister in der EU mit dafür gesorgt, dass sich die so zentrale Frage nach dem Schutz des Flüchtlings nun vor allem auf Lampedusa und Malta stellt, nicht mehr in Hamburg und Berlin.

So klopft Wolfgang Schäuble dem italienischen Innenminister Roberto Maroni von der rechtsrassistischen Lega Nord auf die Schultern, wenn dieser Druck auf Libyen ausübt, afrikanische Flüchtlinge im Land zu halten. Und die EU-Grenzbehörde Frontex gestand kürzlich ihr Versagen ein: Sie könne die vielen Bootsflüchtlinge im Mittelmeer schlicht nicht von Europa fernhalten. Dennoch wird sie finanziell weiter großzügig ausgestattet und weiterhin nicht kontrolliert. Wollen Menschenrechtsorganisationen Genaueres wissen, weisen deutsche Politiker stets achselzuckend nach Brüssel.

Der EU-Einwanderungspakt vom Oktober hat die Gräben um die Festung Europa einmal mehr befestigt. Erstmals jedoch deutet sich an, dass der Export von Menschenrechtsproblemen ins Mittelmeer sich auch umkehren kann: Ab 2012 sollen Flüchtlinge zwischen EU-Staaten verteilt werden können. Wie viele, das wurde nicht festgelegt. Dafür hat Schäuble gesorgt.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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