Kommentar UN-Klimakonferenz COP24: Mehr Ehrgeiz ist nötig
Die Einigung von Kattowitz ist ein Erfolg für die Klimapolitik. Was jedoch fehlt, ist beherzte Machtpolitik für eine Zukunft ohne Kohle.
„Noch so ein Sieg und wir sind verloren“, sagte König Pyrrhus in seinem Krieg gegen Rom. In der Klimadiplomatie lässt sich das so ähnlich formulieren. Denn das „Kattowitz-Paket“, das am späten Samstag Abend von der 24. UN-Klimakonferenz angenommen wurde, ist zwar für den Prozess ein Erfolg. Endlich gibt es Regeln, sogar relativ strikt und zielführend, an die sich bald auch die großen Verschmutzer wie Indien und China halten müssen. Aber das allein vermeidet noch kein Gramm Kohlendioxid, das sich aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in der Atmosphäre einnistet und die Temperaturen hochtreibt.
In den 24 Jahren, seit es Klimakonferenzen gibt, sind diese Emissionen konstant gestiegen – etwa um ein Drittel. Das ist am wenigsten die Schuld der UN-Klimarahmenkonvention und des Systems ihrer oft frustrierenden Diplomatie. Es ist dem rasanten Aufstieg von Schwellenländern wie China und Indien geschuldet, die sich ihren Weg aus der Armut mit Kohle erkämpfen. Es liegt aber auch am zähen Widerstand der fossilen Industrien und der Staaten, die auf diesem Wirtschaftsmodell beruhen. Also praktisch alle. Dass sich diese Staaten gegenseitig versprachen, ihre Abhängigkeit von den Fossilen zu beenden, war der Fortschritt von Paris. Jetzt in Kattowitz haben sie sich das Rezept dafür ausgestellt, bald von der Karbon-Völlerei auf Nulldiät umzustellen.
Wenn das mehr sein soll als der übliche gute Vorsatz zum Neuen Jahr, muss die sogenannte „High Ambition Coalition“ (HAC) von Paris und Kattowitz am Leben gehalten werden. In dieser Allianz für großen Ehrgeiz beim Klimaschutz verbünden sich bisher 107 Länder, darunter viele EU-Staaten, Norwegen, Kanada oder die Schweiz mit Entwicklungsländern wie Äthiopien oder Costa Rica. Sie schmieden Bündnisse über Grenzen hinweg, die sonst zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bestehen, zwischen Nord und Süd, arm und reich. Leider erscheint diese Koalition der Willigen immer nur, wenn das Desaster droht.
Es wäre ein wichtiger Fortschritt, wenn die HAC permanent zum Machtfaktor beim globalen Klimaschutz würde. Warum nicht den Spaltern, Nationalisten, Öl-Lobbyisten und Bremsern eine schlagkräftige Gruppe von Ländern entgegensetzen, die für eine vernünftige Zukunft Front macht? So richtig mit regelmäßigen Treffen der Regierungschefs, gemeinsamen Forderungen, abgestimmter Strategie. Wenn G20 und G7 blockieren, wäre das eine Alternative. Deutschland könnte da organisatorisch und finanziell an der Spitze stehen.
Ach ja, Deutschland. Das wäre selbstverständlich der erste Schritt. Dass es in diesem Land mal wieder eine Regierung gäbe, die beim Klimaschutz und der Zukunftspolitik von einer High Ambition Coalition getragen wird. Mit der jetzigen kleinen Koalition ist das wohl nicht zu machen. Die ist in diesem Punkt bisher ohne jede Ambition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht