Kommentar Türkei bombt in Nordsyrien: Erdoğans neue Front
Das Nato-Mitglied Türkei stellt sich immer stärker auf die Seite der Islamisten in Syrien – und damit gegen russische und US-Interessen

D ie türkische Außenpolitik wird immer erfolgreicher. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfbombers und der daraus resultierenden offenen Feindseligkeit zwischen der Türkei und Russland legt sich Erdoğans Regierung nun auch noch mit der anderen Supermacht, den USA, an. Türkische Kampfbomber und Artillerie greifen seit Samstagnacht Stellungen der syrischen Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien an.
Die kurdische Miliz wird aber nicht nur von den Russen wohlwollend toleriert – erst kürzlich eröffneten die syrischen Kurden eine quasi diplomatische Vertretung in Moskau – sondern sie sind vor allem mit den US-Streitkräften im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) eng verbündet.
Seit Wochen empört sich Erdoğan darüber, dass die USA eine eng mit der PKK verbündete Organisation wie die YPG bewaffnet und logistisch unterstützen. Seit die YPG mit amerikanischer Luftunterstützung den IS aus Kobane vertreiben konnte, sind sie für Obama die wichtigste Bodentruppe gegen die Radikalislamisten. Doch die Türkei sieht sich vielmehr von den Kurden als vom IS bedroht, weshalb die Gerüchte auch nicht verstummen, dass Erdoğan allen Dementis zum Trotz den IS nach wie vor unterstützt.
De facto stellt sich das Nato-Mitglied Türkei immer stärker auf die Seite der Islamisten in Syrien, gegen die russischen Interessen, aber auch gegen die USA. Eine Aufforderung der USA, den Beschuss der YPG einzustellen, ignoriert Erdoğan. Die Situation in Syrien wird immer komplizierter. Die ersten saudischen Kampfjets, die jetzt in der Türkei stationiert sind, werden Erdoğan in seiner Haltung bestärken.
Während die USA den IS bekämpfen wollen, geht es Türken und Saudis hauptsächlich darum, iranische Assad-Unterstützer und die Kurden niederzumachen. Ein Waffenstillstand scheint deshalb illusorisch. Eher sieht es aus, als würde gerade eine neue Eskalation des Krieges eingeleitet.
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