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Kommentar Timbuktu-Prozess Den HaagKulturzerstörung = Kriegsverbrechen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Das Verfahren muss Präzedenzcharakter haben. Es sollte den Rest der Welt an all die Verbrechen erinnern, die ungesühnt bleiben.

Ahmad al-Mahdi vor Gericht in Den Haag Foto: reuters

D er Timbuktu-Prozess gegen den Malier Ahmad al-Mahdi vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) schreibt Geschichte. Erstmals erkennt die internationale Justiz Kulturzerstörung als Kriegsverbrechen an. Indem die Richter in Den Haag die entsprechende Anklage zur Hauptverhandlung zuließen, haben sie das unabhängig vom Urteil – bei dem es um das Ausmaß der Schuld des einzigen Angeklagten geht – bereits festgelegt.

Das müsste eigentlich Präzedenzcharakter haben. Die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan durch die Taliban, das Wüten des „Islamischen Staates“ in Palmyra in Syrien – es gibt viele Fälle der mutwilligen Vernichtung von Kulturerbe, die vor Gericht gehören. Die Mausoleen von Timbuktu gehören keineswegs zu den einzigartigsten Kulturgütern der Welt, aber die Zielsetzung hinter ihrer Zerstörung durch Islamisten ist eine universelle, die nicht länger straflos bleiben darf.

Allerdings wird dies nie geschehen, denn für Syrien ist der ICC nicht zuständig, weil Syrien kein Mitglied ist und der UN-Sicherheitsrat nicht tätig werden wird. Dabei ist der Artikel des ICC-Statuts, der jetzt im Timbuktu-Prozess zur Anwendung kommt, wie geschaffen zur Aufarbeitung des syrischen Krieges. Er verbietet „vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete“. Also genau all das, was die Assad-Regierung seit Jahren tut.

Die Prozesse des Internationalen Strafgerichtshofs werden oft dafür kritisiert, dass sie lediglich gegen Afrikaner geführt werden. Das ist korrekt, bedeutet aber umgekehrt, dass Afrika zum Vorreiter wird bei der internationalen Ahndung von Kriegsverbrechen. Das Timbuktu-Verfahren sollte den Rest der Welt an all die anderen Verbrechen erinnern, die ungesühnt bleiben – nicht nur im kulturellen Bereich.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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6 Kommentare

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  • "Die Prozesse des Internationalen Strafgerichtshofs werden oft dafür kritisiert, dass sie lediglich gegen Afrikaner geführt werden. Das ist korrekt, bedeutet aber umgekehrt, dass Afrika zum Vorreiter wird bei der internationalen Ahndung von Kriegsverbrechen."

    Die Afrikaner sollten stolz darauf sein, dass Sie vom "Westen" zum Vorreiter gemacht wurden.

     

    "Das Timbuktu-Verfahren sollte den Rest der Welt an all die anderen Verbrechen erinnern, die ungesühnt bleiben – nicht nur im kulturellen Bereich."

    Die Afrikaner-Prozesse könnten den Rest der Welt auch daran erinnern, dass das ICC die "Freundin der NATO" ist.

    • @Stefan mit f:

      Teile und herrsche.

       

      Ihrer Rolle als "Vorreiter" des Guten und Gerechten soll "die Afrikaner" also darüber hinwegtrösten, dass derartige Schauprozesse lediglich gegen Afrikaner geführt werden, nicht gegen Europäer, Amerikaner, Asiaten oder Australier, sehe ich das richtig?

       

      Klar, irgendwo muss man ja anfangen. Und irgendwer muss ja die sogenannte Drecksarbeit auch machen. Wieso also nicht "die Afrikaner"?

       

      Ganz einfach: Weil "die Afrikaner" jahrhundertelang von "den Europäern" etc. kolonisiert und unterdrückt worden sind bis an den Rand ihrer (ja, auch kulturellen) Auslöschung - und darüber hinaus. Aber das, nicht wahr, ist ja alles lange vor dem ICC passiert. Dafür sind "wir" ja nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen.

       

      Und jene Krankenhäuser, die von der "Koalition der Willigen" bombardiert wurden? Ach ja, genau, das waren ja nur Kollateralschäden. Die waren einfach unvermeidlich. Wäre ich Afrikaner, würde ich vermutlich über die Mausoleen von Timbuktu dasselbe sagen. Vom Westen lernen heißt ja schließlich siegen lernen.

      • @mowgli:

        Das war ironisch gemeint. Kam wohl leider nicht so rüber. Sorry.

         

        In der Sache stimme ich Ihnen vollkommen zu.

      • @mowgli:

        Da hätte ich deutlicher machen sollen, dass das ironisch gemeint war. Sorry. In der Sache stimme ich Ihnen absolut zu.

  • "Also genau all das, was die Assad-Regierung seit Jahren tut."

     

    Die Netanjahu-Regierung und die Obama-Regierung nehmen da auch keinerlei Rücksicht, Aber Israel und die USA haben ja praktischerweise den ICC auch nie akzeptiert. Von daher werden wir auch in der Zukunft in erster Linie weiterhin Afrikaner in Den Haag anklagen und bestrafen wenn sie gegen Gesetze aus Paris verstoßen.

    • @ShieTar:

      "Keinerlei" ist genau die Art undifferenzierter Unsinn, für den Internetkommentare so berüchtigt sind. Die USA haben in jüngerer Zeit genau ein Krankenhaus angegriffen und das war ein Riesenthema und die Aufarbeitung dauert noch an. Momentan sieht es ja danach aus, dass da so einiges schief gelaufen ist, unter anderem eine geziehlte Irreführung der USA durch ihre Verbündeten vor Ort. Versteh mich nicht falsch, ich will das überhaupt nicht rechtfertigen und ich hoffe, dass in diesem Fall mehr Leute vor Gericht landen und verurteilt werden als es leider üblich ist und Druck von außen auf die USA durch so etwas wie einen internationalen Gerichtshof wäre sicher bitter nötig. Aber "keinerlei" zu sagen und die USA mit Assad in einen Topf zu schmeißen? Nein, das ist eine Aussage, die an Relativierung grenzt.