Kommentar Tierschutz in Niedersachsen: Der lange Arm der Landwirte
Ministerin Barbara Otte-Kinast sollte Missstände in der Landwirtschaft bekämpfen anstatt Tierschützer anzugehen.
B arbara Otte-Kinast hätte nicht deutlicher machen können, wie sie ihr Amt versteht. Die Landwirtschaftsministerin von Niedersachsen ist der neue lange Arm der konventionellen Landwirte. Erst schwächt sie den Tierschutzplan, weil diese ganzen Auflagen für die Bauern ganz schön aufwendig und teuer sind, jetzt zielt sie auf Tierschützer ab. Die nämlich gehen den Bauern mit ihren nächtlichen Stallbesuchen und dem ständigen Missstände-Aufdecken schon lange auf die Nerven. Otte-Kinast – selbst Milchviehhalterin – hilft da gern.
In den vergangenen zwei Monaten hatten gleich zwei Gerichte solche Videoaufnahmen für legitim erklärt, nämlich das Oberlandesgericht Naumburg in Sachsen-Anhalt und der Bundesgerichtshof. Ein Hausfriedensbruch kann berechtigt sein, wenn dadurch Tierschutzverstöße aufgedeckt werden, unter denen die Hühner, Schweine und Rinder leiden. Doch diese Urteile ignoriert die Ministerin komplett
Klar, kann man argumentieren, dass die Veterinärämter für die Überprüfung der Ställe zuständig sind. Aber offensichtlich machen die Behörden diesen Job nicht sonderlich gut. Sonst gäbe es die entlarvenden Videoaufnahmen ja nicht in so schöner Regelmäßigkeit.
Ohne die heimlichen Aufnahmen wäre gar das Bewusstsein für Tierschutz in der Gesellschaft ein völlig anderes. Die Massentierhaltung könnte sich erfolgreich hinter hohen Zäunen verschanzen und hübsche Naturbildchen auf ihre Produkte kleben. Veterinäre machen die Verstöße, auf die sie stoßen, nicht öffentlich, sondern weisen nur die Bauern an, diese zu beheben. Woher also sollten die Verbraucher wissen, wie die Realität in den Ställen aussieht?
Das Engagement der Tierschützer kommt deshalb dem Gemeinwohl zugute. Eine Ministerin, die sich nicht nur als Lobbyistin der Landwirte versteht, sondern die Verbraucher im Blick hat, sollte Tierschützer nicht kriminalisieren oder ihren Vereinen die Gemeinnützigkeit aberkennen. Sie sollte Konsequenzen aus den aufgedeckten Missständen ziehen.
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