piwik no script img

Kommentar Tarif für WerksvertraglerNicht ohne einen Mindestlohn

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Die Werksvertragler einer Werft haben sich einen Haustarifvertrag hart erkämpft. Das muss Schule machen. Vor allem in der Fleischindustrie.

Hier wird jetzt unter tariflichen Bedingungen malocht: die Meyer-Werft in Papenburg. Bild: dpa

D ie Meyer Werft hat schnell reagiert: Der Haustarifvertrag, den der Schiffbauer mit der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossen hat, verbessert die Situation der geschätzt mehreren hundert Werkvertragsbeschäftigten aus Rumänien und Bulgarien grundlegend.

Ein Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde, mehr Mitbestimmungsrechte und Einblick der Betriebsräte, wer da überhaupt zu welchen Konditionen beschäftigt wird, sind nur einige Dinge, zu denen sich das Unternehmen verpflichtet hat.

Das Beispiel muss jetzt Schule machen für andere Betriebe, in denen Werkvertragsarbeiter zu Billiglöhnen schuften. Vor allem die Fleischindustrie, in der im Akkord für vier bis fünf Euro in der Stunde geschlachtet wird, gerät in Zugzwang. Schon kündigen Arbeitgeber an, man sei nun auch zu Tarifverhandlungen bereit.

Die Fakten

Auf einen Haustarifvertrag für Werkvertragsarbeiter haben sich die Papenburger Meyer Werft, die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat geeinigt. Künftig gelten für Beschäftigte von Subunternehmen 8,50 Euro Stundenlohn und Mindeststandards bei der Unterbringung. Zudem erhält der Betriebsrat bei Werkverträgen mehr Mitwirkungsrechte.

Die laut niedersächsischem Wirtschaftsministerium bundesweit einmalige Einigung ist eine Konsequenz, die der Schiffbauer aus dem Tod zweier rumänischer Werkvertragsarbeiter im Juli zieht. Die Männer waren bei einem Brand in einer Massenunterkunft erstickt. (tha)

Der Druck dafür wächst auch aus dem Ausland, denn Belgien hat sich vor wenigen Monaten offiziell bei der EU-Kommission über Wettbewerbsverzerrung beschwert: Da im Nachbarland ein Mindestlohn von 9,10 Euro gilt, dominieren deutsche Unternehmen über ihre belgische, aber auch französische Schlachtkonkurrenz.

Doch der Weg für Verbesserungen ist hier noch weit: In der Fleischbranche existiert bisher nicht einmal ein tariffähiger Verband, mit dem die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Verträge abschließen könnte. Und längst nicht alle Betriebe sind tarifgebunden.

Will man den Fortschritt verallgemeinern, braucht es gesetzliche Regelungen: einen einheitlichen Mindestlohn für alle sowie Kontrollen, ob die Unterkünfte für Beschäftigte menschenwürdig sind und ob ein Scheinwerkvertrag oder ein echter Werkvertrag vorliegt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • C
    claudi

    Aber die CDU die von so vielen Leuten wieder gewählt wurde, wollen nicht mal die 8.50 flächendeckend per Gesetz.

     

    Die Linken haben wenigsten 12 € Mindestlohn gefordert.

     

    Ist nicht zu realisieren, da die CDU der Ansicht ist, das Firmen vernichtet werden, wenn sie 8,50 € zahlen müssten.

     

    Geschützt wird die Industrie, nicht das Volk.

     

    Bester Beweis was man vom Volk hält, vor allem vom alten Volk ist eben die Rente, ist eben die Altersarmut.

     

    Aber statt den Alten, die Deutschland durch ihre Arbeit dahin brachten wo es heute steht, überlässt die Regierung Merkels die Alten ihrem Armutsschicksal.

     

    Es gäbe ja noch die Möglichkeit, den Alten die Mieten zuzuzahlen ohne auf den Knien beim Sozialstaat rutschen zu müssen. Das soll natürlich nicht für die Pensionäre und Minister gelten sondern für Rentner die unter 1.400 € Rente für 2 Personen leben müssen in Ländern wie Bayern, wo die Mieten so extrem sind, das, wollte man sie noch selbst bezahlen können, man in immer kleinere Wohnungen ziehen muss um überhaupt noch ein Dach über dem Kopf zu haben. Von gesunder Ernährung rede ich hier schon gar nicht mehr.

  • R
    Reiner

    Die vormals gutbezahlten Fleischer im Handwerk, haben im Rhein-Main-Gebiet/Frankfurt a.M., einen tariflichen Stundenlohn von mehr als 17 Euro auf dem Tarif-Papier. Die letzten Jahre wurden die Fleischer-Fachkräfte zunehmend entlassen und durch Billigarbeitskräfte ersetzt. Die Kollegen aus Osteuropa, mit und ohne Qualifikation, erhalten Armutslöhne von 6-8 Euro-Std., bei täglichen Arbeitszeiten zw. 10-14 Stunden. Wer nicht funktioniert fliegt raus!

     

    Die staatlichen Statistiken, einschließlich die der Bundesarbeitsagentur, beruhen auf (vorsätzlichen?) Fälschungen. Der Anteil der Niedrig- und Armutslöhner ist erheblich größer als von Frau von Leyen und anderen Regierungs- und Erbschafts-MillionärInnen stets behauptet wird. Jedoch, auch diese Wahrheit wird weiterhin vor der Bevölkerung erfolgreich unterschlagen!

  • W
    Wolfgang

    Um wenigstens nach 35 Arbeitsjahren in Vollzeit (40-Std.-Wo.), eine Armutsrente in Höhe von Netto 700,- Euro zu bekommen, bedarf es eines "durchschnittlichen" Stundelohns von Brutto 15,- Euro-Std.

     

    Die heutige Mehrheit der Lohnabhängigen, mit weniger als Brutto 15,- Euro-Std., wird zukünftig, auch nach 50-Vollzeitarbeitsjahren, ohne Arbeitslosigkeit!, nicht mehr als die gesetzliche "Grundsicherung" (analog Sozialhilfe) erhalten!

     

    Bemerkenswert, dass die bürgerlichen sozialdemokratischen Gewerkschaften und Sozialverbände, in Kenntnis der Tatsachen, nur Brutto 8,50 Euro-Std. fordern. /

     

    Da lacht selbst das Herz, bei solchen bourgeoisen und harmonischen Forderungen, - der gutbezahlten sozialdemokratischen Funktionäre -, der Siemensschen und Quandtschen Erbschafts-Milliardäre - auch ohne deren persönliche Arbeitsleistung, Wert- und Mehrwertschöpfung!

     

    Aufwachen, brave deutsche Konsum-Michels!

    Es droht für die Mehrheit: Altersarmut!