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Kommentar: Sven-Michael Veit über Bürgerbegehren gegen FlüchtlingsunterkünfteGeistige Brandstiftung

Das ist ein taktisch bedingter zynischer Umgang mit dem Leid von Flüchtlingen

Doppelt hält nicht immer besser. Und ein doppeltes Spiel ist immer unehrlich, wenn nicht anrüchig. In diesem Fall ist es sogar richtig mies. Der Versuch einer Initiative, die angeblich für die bestmögliche Integration von Flüchtlingen streitet, mit juristischen Winkelzügen eben diese Integration zu verhindern, ist moralisch verwerflich, rechtlich bedenklich und politisch gefährlich.

Die im Februar eingerichtete Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ wendet sich, wie es die örtliche Volksabstimmungsgesetz erfordert, gegen eine Angelegenheit, die der Zuständigkeit von Senat und Bürgerschaft unterliegt: Sie richtet sich gegen die konkrete Flüchtlingspolitik des Bundeslandes Hamburg. Die avisierten bezirklichen Bürgerbegehren hingegen dürfen sich nur gegen Angelegenheiten richten, die in der Kompetenz der Bezirke liegen: Das aber ist in diesem Fall offenkundig nicht gegeben. Rein juristisch sind diese Bürgerbegehren nicht statthaft.

Der Verdacht liegt nahe, dass dieses zweigleisige Vorgehen nur zur Stimmungsmache dient: Zur Mobilisierung von Unterstützern wie jenen Blankeneser Kleinbürgern, die meinen Bäume mit Großraumlimousinen vor Menschen schützen zu müssen. Zur Anklage auch: von Politikern und Behörden, die nach Gesetzen handeln und handeln müssen, die manche gern mal gebeugt sähen. Und zur Aufwiegelung von Gestalten schließlich, deren Gesinnungen auf erfolgreiche Integration eben nicht zielen.

Das ist geistige Brandstiftung in einer gesellschaftlich aufgeheizten Atmosphäre, die keinen weiteren Funkenflug verträgt. Das ist Schindluder mit der Volksgesetzgebung, deren Sinn darin besteht, Pläne oder Beschlüsse der Regierenden in Einzelfällen mit einer breiten gesellschaftlichen Unterstützung zu verhindern – nicht das grundgesetzlich geschützte Asylrecht durch einige wenige Heile-Welt-Fanatiker auszuhebeln. Und es ist ein taktisch bedingt zynischer Umgang mit dem Leid von Flüchtlingen. Mit Humanität hat das nichts zu tun.

Bericht

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