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Kommentar SüdsudanDüstere Stunde

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die internationale Staatengemeinschaft darf jetzt ihr jüngstes Mitglied nicht im Stich lassen. Auf dem Spiel steht das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Auf der Flucht vor den Unruhen im Südsudan. Bild: reuters

F ür die Menschen im Südsudan brechen schwere Zeichen an. Nicht nur haben ihre politischen Führer zurück in den alten, wohlvertrauten Bürgerkriegsmodus geschaltet und fechten ihre Meinungsunterschiede mit der Waffe aus, auf Kosten unzähliger toter Zivilisten.

Auch die internationale Gemeinschaft, die bei der Gründung Südsudans als unabhängiger Staat 2011 Pate stand, scheint sich abzuwenden. Jeder ausländische Evakuierungsflug mehr auf dem Flughafen von Juba ist ein Sargnagel mehr für die Hoffnung, Südsudans Krise sei möglicherweise doch nur ein kurzlebiger vorweihnachtlicher Emotionsschub und es würde sich schon alles wieder irgendwie von selbst einrenken.

Gibt die Weltgemeinschaft Südsudan auf und überlässt ihn als gescheiterten Staat sich selbst? Das wäre ein Freibrief für Warlords und Killer und eine Verhöhnung all jener, die sich seit Jahrzehnten dafür einsetzen, Südsudan Frieden, Selbstbestimmung und auch Demokratie zu bringen.

Ohne den Einsatz der internationalen Gemeinschaft hätte Sudan 2005 nie eingewilligt, den Südsudan in die Autonomie und schließlich in die Unabhängigkeit zu entlassen. Wenn dieser Einsatz jetzt endet, weil die südsudanesischen Politiker als dessen nicht würdig befunden werden, steht auch das Experiment Selbstbestimmung am Ende.

Die sudanesischen Machthaber in Khartum könnten dann seelenruhig abwarten, bis ihnen die Scherben des Sezessionsstaates in ihrem Süden wieder in die Hände fallen. Was das für Konsequenzen für die internationale Staatenordnung und für das Prinzip der Selbstbestimmungsrechts der Völker bedeuten könnte, ist nicht auszudenken.

Die Welt darf Südsudan in seiner düstersten Stunde seit der Unabhängigkeit jetzt nicht seinen Warlords überlassen. Es gibt Friedenskräfte in dem Land – ohne diese wäre es nie zum Frieden mit Sudan gekommen. Sie müssen Gehör finden und gegen die Kriegstreiber im eigenen Land gesschützt und gestützt werden. Noch ist es nicht zu spät.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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  • D
    D.J.

    @Thea,

     

    kleine Info für Sie: Dass der Südsudan zum Sudan gehörte, hat seine Ursache im osmanisch-ägyptischen Imperialismus des 19. Jahrhunderts:

     

    http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Egypt_under_Muhammad_Ali_Dynasty_map_de.png

  • Zwei südsudanische Politiker erweisen sich wahrhaftig als nicht würdig für irgendwas und der eine ist mit 93 % zum Präsidenten gewählt worden.

    Leider ist der Südsudan ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht ausreicht, die Unabhängigkeit eines Landes zu fördern, sondern dass auch demokratische Institutionen aufgebaut werden müssen. Wenn man das nicht will, weil es zu anstrengend/teuer ist oder als Einmischung in das Selbstbestimmungsrecht gesehen wird, dann geschieht eben so etwas wie jetzt.

    Auch zeigt sich hier ein weiterer Schwachpunkt: es gibt zwar ein Völkerrecht, aber keine verbindliche Übereinkunft, wie bei Verstößen vorgegangen werden soll.

    Bleibt also die Frage wie bei jedem Konflikt: Und nun?

    UN? Mit Deutschland oder doch lieber Frankreich alleine? Ob Uganda helfen könnte? Aber die sind ja schon vom Kongo über die RCA bis nach Somalia im Dauereinsatz.

  • T
    Thea

    Ok-nun bereitet Dominic Johnson publizistisch schon wieder eine neue Militärintervention der "internationalen Gemeinschaft" in Afrika vor. Diesmal im Südsudan, einem "Staat", dessen Gründung ausschließlich dieser ominösen "internationalen Staatengemeinschaft" zu verdanken ist, die ihre Intervention wesentlich damit begründet hatte, die christlichen Südsudanesen vor den Bedrücküngen des islamischen Nordens zu schützen. Nun-nach noch nicht einmal 5 Jahren Unabhängigkeit, gehen sich die "christlichen" Clans gegenseitig an die Gurgel. Anstatt mal über die Frage nachzudenken, ob der -in altkolonialistischer Manier- gegründete "Staat" Südsudan, dessen Grenzen wie in alter Zeit von "westlichen Beratern" auf der Landkarte skizziert wurde, vielleicht doch nicht so eine gute Idee gewesen war, fordert D.Johnson den Militäreinsatz zur Stabilisierung dieses künstlichen Gebildes. Wäre vielleicht doch besser gewesen, den föderalistischen Ansatz der sudanesischen Regierung, der den südlichen Gebieten ein Höchstmaß an Autonomie zugestanden hätte, ernster zu nehmen. Stattdessen die westliche Implementierung eines "verbündeten" neuen lebensunfähigen Staatsgebildes - für die Lösung der erwartbaren inneren Konflikte in diesem Gebiet ist dann im Bedarfsfall wieder die französische Fremdenlegion zuständig. It's colonialism, stupid!

  • SK
    Sophie Klein

    Auf nach Sued-Sudan,

    da können wir uns endlich mal wieder politische Lorbeeren verdienen.

    Ich hab schon mal die Routen gecheckt, denn die Operationen aus der Luft sind langfristig zu aufwändig. Da muss man im Voraus planen.

    Ich sehe zwei Möglichkeiten: den Landweg über Kenia (das ist eine gute Möglichkeit, die Regierung ist deutlich auf westliche Hilfe angewiesen, da kann man Entgegenkommen erwarten); oder über Kamerun und den Chad (der Landweg ist allerdings weiter als 2000km, logistisch gesehen keine Kleinigkeit! Trotzdem denkbar, vielleicht eine nachrangige Variante).

    Die Variante über Äthiopien und Erithrea scheidet aus, das Äthiopische Hochland ist leider unpassierbar für Militärkolonnen. Nix zu machen.

    Kosten sollten wir über die EU verhandeln, ich denke, es ist Zeit, hier eine dezidiert Europäische Verantwortung anzumahnen. Die Flüchtlinge drängen ja ohnehin schon an den Grenzen.

    • Dominic Johnson , Autor des Artikels, Ressortleiter Ausland
      @Sophie Klein:

      Sie meinen also, internationales Engagement = Militäreinmarsch über Nachbarländer?

    • Dominic Johnson , Autor des Artikels, Ressortleiter Ausland
      @Sophie Klein:

      Hat Ihrer Meinung nach Sudan 22 Jahre lang die SPLA bekämpft, um dem Südsudan "ein Höchstmaß ein Autonomie" zuzugestehen? Hat Ihrer Meinung nach kein einziger Südsudanese zur Gründungt Südsudans beigetragen? Wo fordere ich einen Militäreinsatz?

      • SK
        Sophie Klein
        @Dominic Johnson:

        >Wo fordere ich einen Militäreinsatz?

        Sie fordern einen Militäreinsatz, weil sie keine Vorschläge machen. Ich habe es impliziert, weil ich vollmundige Völkerumarmungen nicht gutheißen kann. Weder die Solidariät aus der Ferne, noch die Hilfe in Gedanken ist sinnvoll. Außerdem sind die Staaten Zentralafrikas "traditionell" schwach und korrupt. Da nützt auch das Neugründen nichts. Ooops! War das inkorrekt?