Kommentar Stuttgart 21: Erst Baustopp, dann Dialog
Die Gegner des Milliardenprojekts Stuttgart 21 sollten das Gesprächsangebot des Bahn-Chefs mit Skepsis prüfen.
N un also reagiert Bahnchef Rüdiger Grube doch auf die beispiellosen Massenproteste der vergangenen Wochen und lädt die Gegner des geplanten Megabahnhofs "Stuttgart 21" zum "runden Tisch" ein. Diese sollten sein Angebot mit Skepsis prüfen. Denn Gespräche mit ihm sind nur sinnvoll, sofern sie am geplanten Fortgang des fragwürdigen Milliardenprojekts noch etwas ändern können.
Dafür spricht so gut wie nichts. Rechtlich jedenfalls ist Stuttgart 21 kaum mehr zu stoppen. Alle Finanzierungszusagen sind gemacht, alle formellen Einsprüche von Bürger- und Umweltgruppen wurden von den Gerichten abgeschmettert.
Schon vor dem ersten Treffen hat Bahnchef Grube einen Baustopp ausgeschlossen. Und seit Wochen lässt er verlauten, die Entscheidung für Stuttgart 21 sei "unumkehrbar". Offenbar will er mit seiner Offerte jetzt vor allem verhindern, dass sich die anhaltenden Proteste gegen den Megabahnhof zur nächsten Imagekatastrophe für sein Unternehmen entwickeln.
Nur ein vorläufiger Baustopp könnte den Gesprächen aber Glaubwürdigkeit verleihen. Sonst wären sie nur eine weitere Episode in der Geschichte von Beschwichtigungen und Machtmissbrauch, mit der der Widerstand gegen Stuttgart 21 seit 15 Jahren systematisch ausgehebelt wird.
Schon vor Jahren ließ Stuttgarts Gemeinderat 67.000 Unterschriften von Bahnhofsgegnern ins Leere laufen. Fachgutachten, die das Bauvorhaben als geologisch gefährlich und verkehrsplanerisch schädlich kritisieren, wurden ignoriert oder jahrelang unter Verschluss gehalten.
Umfragen zeigen, dass die Proteste gegen den Neubau die Mehrheit von Ministerpräsident Stefan Mappus und seiner CDU bei den Landtagswahlen im Frühjahr gefährden dürften. Die Grünen sind mit ihrem konsequenten Widerstand gegen das Projekt bereits zur stärksten Fraktion im Gemeinderat der Landeshauptstadt aufgestiegen. Das letzte Wort zu Stuttgart 21 ist also noch nicht gesprochen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden