Kommentar Studiengebühren: Superhorst und der Deal mit der FDP
In Bayern wird es bald keine Studiengebühren mehr geben – so oder so. Das hat Auswirkungen auf die Regierungskoalition in München.
E s ist so gut wie sicher, dass es auch in Bayern bald keine Studiengebühren mehr gibt. Das von den Freien Wählern initiierte Volksbegehren war erfolgreich. In allen großen bayerischen Städten haben sich mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten in die entsprechenden Listen eingetragen. Der Volksentscheid, für dessen Realisierung bayernweit insgesamt 940.000 Unterschriften nötig waren, kann also stattfinden.
Ob es aber tatsächlich zu einer direkten Abstimmung kommt, ist ungewiss. Womöglich kommt die bayerische Staatsregierung dem Volk zuvor und nimmt die Gebührenregelung für StudentInnen von sich aus zurück. Nur: Die Regierungskoalition ist in der Sache zerstritten. Man darf gespannt sein, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gedenkt, die FDP umzustimmen. Die Opposition in Bayern kann frohlocken.
Innerhalb von vierzehn Tagen ist es ihr gelungen, ausreichend bayerische Bürger in die Rathäuser zu bewegen, um sich dort in die ausliegenden Unterschriftenlisten einzutragen. „Wahnsinn, dieser Endspurt“ postete Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl Christian Ude vergnügt auf Facebook, während er aus seinem Bürofenster im Rathaus dabei zusah, wie die Schlange der Eintragungswilligen auf dem Münchner Marienplatz am Mittwoch länger und länger wurde und sich schließlich in mehreren Ellipsen über den Platz wand.
In der Landeshauptstadt liegt das vorläufige amtliche Endergebnis nun bei 11,99 Prozent. Nürnberg erreichte 14,5, Augsburg 12,8 und Würzburg 18,8 Prozent. In der Universitätsstadt Erlangen hatten sich bis 21 Uhr 22,3 Prozent der Wahlberechtigten eingetragen. Steht das amtliche Endergebnis der Eintragung fest – damit ist bis Ende Februar zu rechnen –, muss die Staatsregierung innerhalb von vier Wochen zu einer möglichen Abschaffung der Studiengebühren Stellung nehmen. Danach hat der Landtag drei Monate Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Ein Volksentscheid könnte dann binnen drei Monaten stattfinden.
ist Bayern-Korrespondentin der taz in München.
Zeitgleich mit Landtags- und Bundestagswahl
Unter Ausschöpfung aller Fristen wäre das im September – also zeitgleich mit der Landtags- und Bundestagswahl. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Seehofer das zulassen wird. Denn ein Volksentscheid über die Studiengebühren wäre nur ein Grund mehr für die WählerInnen von Freien Wählern, SPD, Grünen und Piraten um am Wahltag zur Urne zu gehen. „Wir schaffen die Studiengebühren in jedem Fall ab“, hatte Seehofer bereits am Dienstag versprochen, also noch bevor klar war, dass ein Volksentscheid möglich ist, „entweder durch den Landtag oder durch das Volk.“
Dabei war es just seine Partei, die die Gebühren, die es mittlerweile außer in Bayern nur noch in Niedersachsen – mittlerweile laufen auch dort die Vorbereitungen für eine Abschaffung – gibt, unter Edmund Stoiber einführte. Das Problem: Ein Festhalten an den Gebühren steht im Koalitionsvertrag mit der FDP. Und die will es auf den Volksentscheid ankommen lassen. Warum, ist klar: Die siechen Liberalen brauchen Themen, mit denen sie im Wahlkampf ihr Profil schärfen können.
Sie sind in Bayern die letzte Bastion, die noch an der Abgabe festhält. Am Ende wird Seehofer der FDP etwas anbieten müssen, um sie dazu zu bewegen, die Studiengebühren fallen zu lassen – oder um zumindest die Abstimmung im Landtag freizugeben, so dass jede Fraktion ohne Zwang votieren kann. Die Frage ist nur, was ihn ein solcher Deal kosten wird.
Vermutlich werden die Liberalen die von ihnen geforderten kostenlosen Kindergärten dafür bekommen, oder es findet sich eine Lösung, wie man auch die horrenden Kosten für die Meisterprüfungen subventionieren kann, wenn schon die Ausbildung der Akademiker von morgen künftig wieder aus dem Staatshaushalt bezahlt werden soll. Am Ende wird Horst Seehofer triumphieren und einmal mehr bewiesen haben, dass er zu jedem politischen Manöver bereit ist, um am Ende bei der nächsten Wahl erfolgreich zu sein.
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