Kommentar Streikverbot für Beamte: Lieber unkündbar
Der Streit um das Streikrecht für Beamte wird überschätzt. Ein Großteil der Betroffenen legt gar keinen Wert darauf.

D ie Entscheidung der Richter kam nicht überraschend. Schon nach der mündlichen Verhandlung im Januar war klar, dass das Bundesverfassungsgericht am Streikverbot für Beamte festhalten werde – und so kam es dann auch. Bewegung wird es in dieser Frage erst dann geben, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an seiner gewerkschaftsfreundlichen Linie festhält.
Dabei hatten die Karlsruher Richter durchaus Verständnis dafür, dass sich die Beamtinnen und Beamten mehr Gehör und Druckmittel verschaffen wollen. Karlsruher Urteile zur Beamtenbesoldung wurden zuletzt immer nur mit dem Minimum umgesetzt. Die Klage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW hatte in Karlsruhe aber keine Chance, weil die Richter an einem einheitlichen Status für alle Beamten festhalten wollen.
Dass Polizistinnen und Polizisten nicht streiken können, ist einsichtig, und Gegenteiliges fordert auch niemand. Doch wenn diejenigen, „die den Kopf hinhalten“, so eine Verfassungsrichterin, nicht streiken dürfen, warum sollen dann andere Beamte sich zusätzliche Vorteile erkämpfen können?
Der Streit um das Streikrecht für Beamte wird aber auch überschätzt. Ein Großteil der Beamten will überhaupt kein Streikrecht. Das gilt nicht nur für die eher konservativen Verbände wie den Deutschen Beamtenbund. Auch viele GEW-Mitglieder waren von der Initiative ihrer Gewerkschaft nicht gerade begeistert. Denn letztlich sind sie dann doch lieber unkündbare Beamte mit günstigen Pensionsregeln, als dass sie streiken dürfen. Natürlich kann man sich auch Beamte mit Streikrecht vorstellen, politisch realistisch ist ein „best of both worlds“ aber nicht.
Im Übrigen hat man im Bundesland Sachsen gesehen, dass ein Streikrecht für Lehrer auch keine (im Vergleich zu anderen Bundesländern) besseren Arbeitsbedingungen bringt: In Sachsen sind fast alle Lehrer Angestellte. Sie hätten also durchaus streiken können, taten es aber nicht, von ein paar kurzen Warnstreiks abgesehen. Das befürchtete Chaos blieb also aus – das Paradies aber auch.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Extremismus bei Alemannia Aachen
Der rechte Flügel