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Kommentar Streik im öffentlichen DienstStreiken ist auch ’ne Kunst

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Mit den Warnstreiks an Flughäfen und in Kindergärten kämpft Ver.di um die Kaufkraft der Mittelschicht. Doch die Gewerkschaft muss vorsichtig sein.

Auf der Mauer, auf der Lauer: Streikende der Gewerkschaft Ver.di. Bild: dpa

I mmer etwas genervt, aber stets freundlich und im Zweifel solidarisch antworten Bürger im Fernsehen auf die Frage, was sie von den Warnstreiks im öffentlichen Dienst halten: „Okay“, „geht schon“, „verständlich“, aber eben auch: „Bitte nicht zu lange“.

Warnstreiks im öffentlichen Dienst sind für die Gewerkschaft Ver.di immer auch eine Kunst. Sie muss ein Gefühl von Druck erzeugen, die Belastungen einigermaßen gerecht verteilen und genug Identifikationspotenzial anbieten, damit die Streikenden nicht als rücksichtslose Minderheit erscheinen. Nur dann lässt sich in der Gesellschaft eine Haltung erzeugen, die einen Warnstreik akzeptiert wie einen Dauerregen im April, weil er irgendwie dazugehört.

Die Belastungen sind derzeit einigermaßen fair verteilt. Sie treffen nicht nur Mütter oder Väter, die ihre Kinder nicht in die Kita bringen können und vielleicht sogar einen Extra-Urlaubstag nehmen müssen. Auch Geschäftsleute, die nicht zum Meeting fliegen können und daher auf die Bahn umsteigen müssen, sind betroffen. Wobei ein Streik auf Flughäfen in den Medien immer einen viel breiteren Raum einnimmt als Ausstände in Kindertagesstätten, was ein Licht auf gesellschaftliche Wertigkeiten wirft.

Das Identifikationspotenzial gegenüber den Streikenden ist auch gegeben, denn eine Bezahlung von 1.600 Euro netto für eine berufserfahrene Erzieherin ist niedrig und reicht, wie jeder weiß, nun mal kaum aus für hohe Mieten, Zahnersatzkosten, eine private Altersvorsorge und die Unterhaltskosten für ein Kind.

Der Warnstreik zeigt, worum es in den bräsigen Zeiten der Großen Koalition gehen wird: um die Kaufkraft der unteren Mittelschichten und wie man mit einem kleinen Gehalt ein Leben lang klarkommt. Das klingt undramatisch. Ist es aber nicht. Genau deswegen muss man Ausstände wie derzeit im öffentlichen Dienst auch als Kunde unbedingt aushalten können.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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1 Kommentar

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  • Scheingefechte

    sind die Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst.

    Allgemein ist es doch so, dass die "Arbeitgeberseite" den größeren Vorteil nach den harten "Auseinandersetzungen" hat. Drei Prozent mehr machen bei einem Oberstadtdirektor eine "Kleinigkeit" mehr aus als bei einer Erzieherin - oder?