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Kommentar Streik bei Amazon und BahnLokführer müsste man sein

Kommentar von Richard Rother

Wenn Piloten oder Lokführer streiken, sind die Auswirkungen schnell spürbar. Wenn Paketpacker streiken, kriegt das kaum jemand mit.

Nichts geht mehr: GDL-Streik am 18.10. in Leipzig. Bild: dpa

L okführer müsste man sein – das wünscht sich wohl manch streikender Paketepacker beim US-Internetversandunternehmen Amazon. Wenn ein Lokführer streikt, bleibt sein Zug einfach auf dem nächsten Bahnhof stehen – und nichts geht mehr. Ein paar Züge, die die Gleise verstopfen, reichen allemal, um das System Schiene lahmzulegen.

Von dieser Streikmacht können die Amazonier nur träumen. Fällt ein Packer aus, kann er leicht ersetzt werden – etwa durch Aushilfen, deren Einstellung durch die Hartz-Reformen erleichtert wurde. Und selbst wenn niemand bei Amazon arbeitet, kann es Tage dauern, bis die Kundschaft den Ausstand spürt und so ökonomischer Druck auf die Firma entsteht. Ganz anders bei Lokführern und Piloten: Ein paar Stunden Streik reichen, um große Wirkung zu erzielen – deshalb ist es auch müßig, Streiktage zu zählen und so die angebliche Zahmheit der Spartengewerkschaften zu belegen.

Gerecht ist das nicht: Bei Amazon schuften die Beschäftigten für wenig Geld, um der Kundschaft allzeit Päckchen zu liefern; und der boomende Großkonzern weigert sich, tarifvertraglichen Regeln zuzustimmen. Diese hätten die Beschäftigten längst verdient. Aber der Gewerkschaft Verdi fällt es schwer, in einem gewerkschaftsfeindlichen Umfeld genügend kampfbereite Mitglieder zu gewinnen. Hoffentlich kann sie im Weihnachtsgeschäft genug Druck machen.

Ganz anders bei den gut organisierten DB-Lokführern: Sie legen den Bahnverkehr an einem ganzen Ferienwochenende lahm, weil ihre Gewerkschaftsführung die Macht bei der Bahn ausdehnen will. So macht man sich keine Freunde – auch nicht im Betrieb. Irgendwann aber wird jede Berufsgruppe (und jede Spartengewerkschaft) auf die Solidarität der anderen angewiesen sein. Soll dann „Wie du mir, so ich dir“ gelten?

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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11 Kommentare

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  • bis jetzt hat man noch keine Lohntabellen von Amazon gesehen, auch Verdi redet nur nebelhaft, in Internet steht ein Lohntabelle-Einsteiger 9,95 €, bei längerer Betiebszugehörigkeit gibts mehr, natürlich nimmt Verdi den westlichen Spitzenlohn, der natürlich im Osten niedriger ausfällt- denn merke -der DGB und die Gewerkschaften zahlen ihren DGB Angestellten im Osten auch nur 85% Westlohn, eine Klage der DGB OST Angestellten wurde damals vom Arbeitsgericht Kassel abgeschmettert ! also, Verdi erst mal vor der eigenen Türe kehren und ehrlich, es gibt im sozialen Bereich Jobs , die wesentlich schlechter bezahlt werden !

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @Georg Schmidt:

      Schlechter geht's immer. Es wird Zeit die Abwärtsspirale der deutschen Löhne zu stoppen. Immerhin gerät langsam der schöne "soziale Frieden" in Gefahr.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ein Pleitegeier, wie die DB, zahlt den Lokführern Spitzenlöhne. Und ein Krösus, wie Amazon, zahlt Hungerlöhne. So sehen sie aus, die Gesetze der Marktwirtschaft.

  • Weigert sich der boomende Großkonzern tatsächlich, tarifvertraglichen Regelungen zuzustimmen? Oder geht es vielmehr darum, WELCHER Tarifvertrag Anwendung finden soll? Recherchieren Sie das bitte nochmal. Sie schreiben so schön von Paketepackern. Ist das Einzelhandel (mit Ladenlokal, geschultem Verkaufpersonal etc.)? Oder Logistik?

     

    In einem aber gebe ich Ihnen Recht: wenn ich nochmal die Berufswahl hätte würde ich Lokführer bei der Lufthansa werden.

    • @Trango:

      Ja der boomende Großkonzern weigert sich tatsächlich einem Tarifvertrag zuzustimmen! Es wird nichtmal mit Verdi verhandelt über einen TV und bis jetzt existiert keiner. Also vielleicht selbst erst mal ein bischen recherchieren.

       

      Einzelhandel oder Logistik?

      Gar keins von beidem es ist Versandhandel (dafür braucht man weder einen Laden noch Verkäufer) und dafür gibt es den Tarifvertrag für "Einzel- und Versandhandel".

      Dort sind neben Verkäufern eben auch Lagerarbeiter und Packer aufgeführt.

      Also auch da erst mal informieren was in einem Tarifvertrag überhaupt festgelegt ist, sind nämlich noch viel mehr als Geld

    • @Trango:

      Lokführer verdienen durchschnittlich, tragen aber überdurchschnittliche Verantwortung. Wenn Lokführer sich durchsetzen, kann es nur gut sein als Vorreiter für andere unterbezahlte Berufe.

      • @Dudel Karl:

        Im Falle der Lokführer liegt die Krux weniger in den Forderungen der Lokführer als darin, ob eine Spartengewerkschaft spartenübergreifend zuständig ist. Und in dieser Frage liegt die GdL nicht nur mit der DB, sondern auch mit anderen Gewerkschaften über Kreuz

  • D
    D.J.

    "boomende Großkonzern"

     

    Der Begriff ist angesichts der Tatsache, dass Amazon nach wie vor hohe Verluste macht, zumindest fraglich.

     

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/die-macht-der-internetriesen/twitter-und-amazon-hippe-internet-verlustmacher-13233992.html

     

    Zum Thema: Unbedingtes Ja zu mehr Arbeitnehmerrechten in diesen Betrieben. Und ich gönne denen natürlich auch höhere Löhne (dann zahle ich eben zwei Euro Porto). Aber es handelt sich natürlich um ein Logistikunternehmen. Einzelhandel ist denn doch was anderes (was nicht heißt, dass Logistik weniger stressig wäre).

    • @D.J.:

      Wenn man natürlich Millionen durch riesen Flops wie das Firephone verbrennt können ja nur Verluste gemacht werden.

       

      Amazon ist eben kein Logistikunternehmen, sondern ein Versandhandel, darum auch der Tarifvertrag für Einzel- und Versandhandel.

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @D.J.:

      Die Amazon-Mitarbeiter streiken für eine Einordnung in den höheren Tarif für den Versandhandel. Amazon bezeichnet sich selbst, als "der größte Versandhändler der Welt". Logik erkannt?

      • @774 (Profil gelöscht):

        die Tätigkeit ist ausschlaggebend, natürlich müssen alle Menschen soviel verdienen, dass sie anständg leben können, aber hebt man diese Packertätigkeitenentlohnung an, muss natürlich auch die Entlohnung aller anderen Beschäftigten angehoben werden, denn es geht nicht an, dass ein Packer mehr verdient, als zB eine Arzthelferin, die ja auch eine erheblcihe Verantwortung trägt zB,und ok, ich bin gern bereit auch auf meine Amazonpakete eine Obulus zu bezahlen, wenn es den Menschen vor Ort zugute kommt, aber der Herr B ist nicht da, um Streiks zu orgnisieren, sondern Zwist zu vermeiden, das setzt natürlich auch Verhandlunsgbereitschaftvoraus udn nicht Hop oder Top!