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Kommentar Streik NeupackEin Lehrstück für die IG BCE

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Ein kleines Unternehmen zwang fast die große IG Bergbau Chemie und Energie in die Knie. Neupack könnte wichtige Diskussionen in der Gewerkschaft anstoßen.

E s ist ein Lehrstück über modernes Gewerkschaftsbashing und die relative Hilflosigkeit einer großen Arbeitnehmervertretung, das sich in den letzten Monaten im Norden Deutschlands abspielte.

Ein kleines Familienunternehmen, angeführt von einem ausgewiesenen Gewerkschaftshasser, zwang fast die große IG Bergbau Chemie und Energie (IG BCE) komplett in die Knie. Deren Spitze in Hannover konnte lange Zeit nicht fassen, mit welcher Verbohrtheit sie es bei Neupack und Firmenpatriarch Jens Krüger zu tun hatte.

Das Gute am Konflikt: Die extrem sozialpartnerschaftlich orientierte IG BCE, sonst verwöhnt durch friedliches Miteinander bei BASF oder Bayer, erfuhr am eigenen Leib, dass es Unternehmer gibt, bei denen man mit Appellen nicht weit kommt. Die streikfreudige Belegschaft, die sich manches mal von ihrer Gewerkschaftsspitze im Stich gelassen fühlte, hatte das sehr früh begriffen.

Bild: taz
Eva Völpel

ist Inlandsredakteurin der taz.

So kann Neupack in der Gewerkschaft vielleicht Lernprozesse anstoßen: sarüber, wie man Konflikte führt und dass man Belegschaften Ernst nehmen muss. Gerade in den wenig beachteten, kleineren Familienbetrieben kommt es besonders häufig zu zermürbenden Arbeitskämpfen.

Für die Beschäftigten steht am Ende des Konflikts ein schaler Sieg. Statt eines kollektiven Tarifvertrags gibt es nur individuelle Arbeitsverträge. Aber immerhin verbindliche Tätigkeitsbeschreibungen, Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung für alle. Das war vielleicht das Maximum, das nach acht Monaten Streik noch heraus zu holen war.

Eine wichtige Entscheidung steht noch aus: ob der umtriebige Betriebsratsvorsitzende Murat Günes seine Stelle behalten kann. Sollte er sie verlieren, wäre das ein später Sieg für die Inhaberfamilie Krüger - und ein schlechtes Zeichen für weitere Konflikte dieser Art.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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2 Kommentare

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  • BA
    besser anonym

    Schöner Kommentar, der zeigt wie weit sie von den Gewerkschaften weg sind. Da Betriebsräte immer Angestellte des Unternehmens sind, wird das Unternehmen auch Wege finden, um sie zu kündigen. Das geht völlig legal, indem sie die Schwachen mit Geld ködern und die Starken isolieren oder indem sie die Starken durch Nadelstiche demokralisieren. Ein Lehrstück ist die Möglichkeit, einfach zu bestreiten, dass es sich um Betriebsratsarbeit gehandelt hat und keinen Lohn zu zahlen. Der Betriebsrat muß dann nachweisen, wo er wann was getan hat vor Gericht, um an sein - legales - Geld zu kommen. Nur dort, wo Miteinander produktiv ist, läßt man Betriebsräte zu. Das BetrVG ist schwach und die Gewerkschaften heute, zumindest die IG Metall, ist eine Art Sozialarbeiter im Betrieb geworden und hat sich vom Kampf verabschiedet. Beispiel wie Neupack zeigen, dass Gewerkschaften heute keine Kämpfe mehr gewinnen können, weil sie die Waffen und die Hauptamtlichen nicht mehr haben, die das können. Die haben in den letzten Jahren fast flächendeckend die Gewerkschaften verlassen, weil sie das auch erleben mußten.

  • A
    anke

    Ich fürchte fast, Frau Völpel, Sie haben da etwas missverstanden. Die "Spitze" der IG BCE weiß ganz genau, wo die Grenzen der "Sozialpartnerschaft" liegen. Deswegen befasst sie sich ja erkennbar lieber mit Firmen wie BASF und Bayer, als mit den sogenannten "Klitschen" und deren ausgesprochen kritischer Belegschaft.

     

    Börsennotierte Unternehmen, die ihre Gewinne vor allem in Billiglohnländern generieren (BASF z.B. in China, Malaysia und Mexiko, Bayer unter anderem in Südafrika, Ägypten, Jordanien, Bangladesh und Indien), können es sich leisten, hierzulande auf ihr Image zu achten. Einem ausschließlich lokal tätigen "Firmenpatriarchen" wie diesem Jens Krüger (hat der Mann überhaupt ein eigenes Gesicht?) muss und kann es hingegen egal sein, ob andere ihn für sozial und einen guten Partner halten. Zumindest so lange, wie der deutsche "Arbeitsmarkt" und die "Politik" der Agentur mit den zwei großen A so bleiben wie sie sind. Die Fassungslosigkeit ist geheuchelt. Wären Sie Ihren eigenen Empfehlungen gefolgt, Frau Völpel, und hätten aus der Beobachtung der Realität gelernt, wie man "Konflikte führt und dass man Belegschaften Ernst nehmen muss", hätten Sie das längst schon selbst herausgefunden.

     

    Ja, es gibt Menschen, "bei denen man mit Appellen nicht weit kommt", weil sie vollkommen "verbohrt" sind. Wenn man diese Leute aber nicht als "das Böse schlechthin" betrachtet, sondern fragt, wie sie zu dem geworden sind, was sie jetzt darstellen, findet man mitunter Antworten. Leider nicht nur solche, die man gesucht hat. Vor allem aber nicht unbedingt welche, die einem gefallen.