Kommentar Steuerhinterziehung: Das Steuergeheimnis lüften
Für Deutschlands Millionäre wird es langsam ungemütlich. In Steueroasen werden durch Datentransfer aus anonymen nun gläserne Kunden.
Es wäre nicht erstaunlich, wenn dem Bundesnachrichtendienst demnächst noch weitere Datenträger angeboten würden, die minutiös den Geschäftsverkehr von Steuersündern speichern. Ein ganz neues Geschäftsfeld tut sich auf: Wer in Steueroasen Zugang zu geheimen Bankinformationen hat, kann damit Millionen verdienen. Ein Anruf beim BND genügt. Das ist die eigentliche Lehre aus der Liechtenstein-Affäre.
Für die Millionäre Deutschlands wird es ungemütlich. Wer immer sein Vermögen illegal ins Ausland geschafft hat, muss damit rechnen, aufzufliegen, auch wenn er jetzt noch nicht auf der Fahndungsliste steht. Denn der Datentransfer zum BND kann sich jederzeit wiederholen. Was die Vermögenden stets so gefürchtet haben, wird nun ausgerechnet in einer Steueroase zur Wirklichkeit: Aus anonymen Konten werden "gläserne Kunden"; Bank- und Steuergeheimnis sind geknackt.
Schätzungsweise 300 Milliarden Euro lagern im Ausland, deren Erträge nicht in Deutschland versteuert werden. Da lauert noch viel Potenzial für Skandale, obwohl die Mahner und Warner aus den Wirtschaftsverbänden momentan ihr Bestes geben, um die Liechtenstein-Affäre zum bedauerlichen Einzelfall zu stilisieren.
Dabei wäre es eigentlich an der Zeit, den stets möglichen Datenklau konsequent zu Ende zu denken. Wenn das Bankgeheimnis sowieso jederzeit durchlöchert werden kann - dann sollte man es doch lieber gleich abschaffen. Andere Länder wie Schweden leben bestens damit, dass jeder Bürger die Steuerakte seines Nachbarn einsehen darf. Wahrscheinlich würde diese Transparenz auf viele Deutsche sogar sehr beruhigend wirken: Bisher ist eines der wesentlichen Motive für die Steuerhinterziehung, dass keiner der Dumme sein will. Weil niemand weiß, was die anderen an den Fiskus abführen, denkt jeder, er zahle zu viel.
In Deutschland wird die Geheimniskrämerei als Persönlichkeitsrecht missverstanden. Dabei, auch wenn es ironisch klingt, müssten gerade die Vermögenden ein Interesse an Transparenz haben: Es ist doch unfair, dass nur zahlen muss, wer erwischt wird. Die Herrschaft des Zufalls und der Daten-DVD kann man doch nicht zulassen wollen als aufgeklärter Millionär.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau