Kommentar Steinmeier for President: Knuddeltyp unter Psychopathen
Der Deutschen Lieblingspolitiker soll Präsident werden. Eine charmante Idee – weil garantiert ohne Pussy-Sprüche, freien Oberkörper und Tigerjagd.
Präsidentschaftskampagnen in den USA haben irgendwie mehr Sex. Nun aber ist ein weißes Haupt aufgestiegen über dem Bundeskanzleramt – Frank-Walter Steinmeier wird der nächste Bundespräsident. Nach monatelanger Ratlosigkeit, wer denn wohl willens sei, den obersten Grüß-August der Republik zu geben, ist die Bilanz deprimierend: Die Lage war so verzweifelt, dass sogar ernsthaft Margot Käßmann erwogen wurde.
Stattdessen nun also Steinmeier, und in gewisser Weise ist diese Entscheidung durchaus charmant. Russland, Türkei, USA – überall stehen rüpelnde Machos, narzisstische Psychopathen und lärmende Schulhofschlägertypen in der ersten Reihe, und Deutschland setzt einen leisetreterischen, knuddeligen Verlierertypen dagegen, der einst schon als Kanzler-Anwärter so unauffällig auftrat, dass niemand seine Kandidatur überhaupt bemerkt hat, und der ansonsten so wenig stört, dass die Deutschen ihn zu ihrem Lieblingspolitiker auserkoren haben.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass Unauffälligkeit nicht gleich Ungefährlichkeit bedeutet. Zur Verlässlichkeit der Zusagen und der Durchsetzungskraft von Steinmeier könnte beispielsweise Wiktor Janukowitsch einiges erzählen. Zusammen mit seinem Amtskollegen aus Polen hatte Steinmeier 2014 in der Ukraine das Abkommen zwischen Regierung und Maidan-Vertretern unterzeichnet, das einen geordneten Übergang zu Neuwahlen ermöglichen sollte.
Steinmeiers Tinte war noch nicht trocken, da war das Papier schon Makulatur, Janukowitsch auf der Flucht und die Ukraine im freien Fall. Steinmeier drohte nicht etwa, dass es dann nichts werde mit der Annäherung an die EU, sondern zuckte mit den Achseln und fuhr wieder zurück nach Hause. Macht ja nichts, zum Bundespräsidenten dort reicht es allemal.
Aber wir wollen nicht nachtragend sein. Immerhin hat er Donald Trump einen Hassprediger genannt, und sicherlich würde er nie mit nacktem Oberkörper auf Tigerjagd gehen oder bei einer fremden Frau auch nur in die Richtung ihrer Pussy schauen. Er ist halt einfach ein netter, grundsolider Typ. Und das ist in diesen Tagen schon eine gute Nachricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation