Kommentar Steinbrücks Nebeneinkünfte: Guter Marktwert, schlechtes Benehmen
Nicht das Geld besticht den Kandidaten. Steinbrück ist bereits durch seine Hybris korrumpiert, durch sein ihm unwiderstehlich erscheinendes Gehabe als toller Typ.
F ünfstellige Beträge soll Peer Steinbrück für Vorträge bei Banken und PR-Institutionen bekommen haben, 10.000 bis 15.000 Euro zahlten sie pro Auftritt für seine sicherlich fulminant vorgetragene Sicht auf Finanzkrise und Rolle der Banken. Zweimal in den vergangenen Jahren soll Steinbrück sogar 20.000 Euro Honorar für einen Vortrag erhalten haben.
Damit hat der sozialdemokratische Kanzlerkandidat mehr verdient, als ein Großteil der Menschen in diesem Land in einem halben Jahr erarbeiten kann. Peer Steinbrück hat also einen guten Marktwert, der in den Kreisen seiner ehemaligen Kabinettskollegen aber durchaus als normal betrachtet werden darf.
Hier geht es auch nicht um die Einnahmen eines bereits auf dem Weg in den politischen Ruhestand gewanderten Exministers, der vor der Pensionierung noch mal mitnimmt, was er kriegen kann. Den Großteil seiner 80 gut bezahlten Vorträge hielt Steinbrück ja, als er mit dem Pfund seiner politischen Vergangenheit wuchern konnte. Von einer Zukunft als Kanzlerkandidat war er da weit entfernt.
Es geht auch nicht um sozialen Neid auf das leicht verdiente Geld eines Mannes, der Gelegenheit und persönliches Können lukrativ zu verbinden weiß. Es geht um Verhältnismäßigkeit und um politische Klugheit.
Denn ein PR-Interview für den Geschäftsbericht des Baukonzerns Bilfinger zu geben und dafür 20.000 Euro zu kassieren ist unverhältnismäßig. Die Episode hat zudem einen strengen Beigeschmack, da sich Steinbrück zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften befragen ließ, dem Lieblingskind der Finanzberater, die mit diesem von Steinbrück forcierten Instrument aus dem Staat finanziell herausholen, was geht. Dennoch ist der Vorwurf absurd, Banken und Lobbyorganisationen würden Steinbrück korrumpieren.
Nicht das Geld besticht den Kandidaten, Steinbrück ist bereits korrumpiert durch seine Hybris, durch sein ihm unwiderstehlich erscheinendes Gehabe als toller Typ. Und damit kommen wir zur politischen Klugheit, die Steinbrück und auch die SPD vermissen lassen.
Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten kann nicht laut pöbelnd eine Million Euro mit PR in eigener Sache verdienen und gleichzeitig den Anspruch anmelden, dieses Land nach der Wahl aus Rezession, Eurokrise und Arbeitslosigkeit zu führen. Diese PR-Nummer ist unglaubwürdig, und Steinbrück ist als Kandidat stärker beschädigt, als die SPD auszugleichen vermag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch