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Kommentar StaatsschuldenDie Blasen der anderen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Deutschland macht in diesem Jahr keine neuen Staatsschulden. Klingt gut, aber wo soll das Geld jetzt hin?

E s klingt wie eine Sensation, die Freude machen muss: Der deutsche Staat schreibt in diesem Jahr eine schwarze Null – wird also keine Schulden machen. Darauf haben viele Deutsche seit Jahrzehnten sehnsüchtig gewartet. Denn Schulden sind für viele Bürger ein böses Wort, in dem ganz schnell auch die moralisch konnotierte Schuld mitschwingt.

Tatsächlich ist es jedoch eine sehr ambivalente Nachricht, dass der deutsche Staat jetzt ohne neue Schulden auskommt. Das Problem bündelt sich in der banalen Frage: Wo soll das Geld jetzt hin?

Die Lebensversicherungen illustrieren das Dilemma: Täglich landen bei ihnen die Beiträge ihrer Kunden, die dafür Zinsen und eine ordentliche Überschussbeteiligung erwarten. Die Prämien müssen also gewinnträchtig angelegt werden. Der Staat war eine sichere Adresse, fällt aber jetzt als Kreditnachfrager aus.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Noch schlimmer: Auch sonst braucht niemand Geld. Es gibt zwar einzelne Privathaushalte, die einen Kredit aufnehmen, um etwa eine Wohnung oder ein Auto zu kaufen. Doch im Saldo sparen die deutschen Privathaushalte. Das Gleiche gilt für deutsche Firmen. Auch sie sitzen auf gut gefüllten Konten. Und nun steuert selbst der Staat auf eine schwarze Null zu. Wenn aber alle Sektoren sparen, dann bleibt dem vielen Geld nur noch eine Adresse: das Ausland. Man beginnt, die Schulden der anderen zu finanzieren. Das haben die Deutschen auch in der Vergangenheit in ganz großem Umfang getan. Ihr Geld hat die Hypothekenkrise in den USA befeuert und die Eurokrise ermöglicht. Deutsches Geld hat den europäischen Peripheriestaaten erlaubt, deutlich zu viele Kredite aufzunehmen.

Sparen ist also gefährlich, obwohl es vielen Deutschen als Tugend erscheint. Es war daher gut, dass der Staat Kredite aufgenommen und wenigstens einen Teil der überschüssigen Sparguthaben abgesaugt hat. Trotzdem kann dies natürlich keine Dauerlösung sein. Schon jetzt liegt die Staatsverschuldung bei über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Was wäre also die Alternative? So unpopulär es klingt: Man müsste die Steuern erhöhen, vor allem für die Vermögenden und die Spitzenverdiener. Dann würde wenigstens ein Teil des herumschwirrenden Geldes daran gehindert, im Ausland Blasen aufzupumpen. Und Bedarf gibt es beim Staat genug: Zum Beispiel könnte man endlich die vielen maroden Schulen sanieren und in die Bildung investieren.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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15 Kommentare

 / 
  • A
    Andreas

    Vielleicht entdecken die Neoliberalen noch einen anderen Planeten, dann können die Guthaben dort gegengebucht werden. Dewr kann dann auch die Überscüsse der ganzen Erde aufnehmen, wenn alle wie wir Exportüberschüsse haben wollen. ;-)

  • I
    Iannis

    @Ulrike

    Schulden und Vermögen ergeben einen Saldo von 0. Wer also sehr große Vermögen zulässt, der lässt auch sehr große Schulden zu. Dieser Zusammenhang ist doch völlig logisch und unbestreitbar. Schulden kann man nur machen, wenn es auf der anderen Seite Gläubiger gibt.

     

    Wenn also große Vermögen höher besteuert werden, sinken nicht nur die vorhandenen Vermögen sondern im gleichen Maße die Schulden.

     

    Dass Sie das nicht verstehen können oder wollen, verstehe ich, aber dass sie Frau Hermann als dumm bezeichnen, lässt entsprechende Rückschlüsse auf ihren eigenen Intellekt zu.

  • H
    H.Ewerth

    @von Ulrike

    Obwohl ich den Spiegel sonst nicht empfehle, aber vielleicht sollten Sie den heute einmal "Spiegel online" lesen, vielleicht würde es Erkentisse bringen?Profiteure der Krise – Das dreifache Dilemma der Euro-Retter

    Griechenland, Spanien, Zypern – bei den Krisenstaaten, über die die Euro-Finanzminister heute beraten, zeigt sich ein Problem: Von den Rettungsaktionen profitieren vor allem Akteure, die es nicht verdienen. Nämlich Hedgefonds, Großbanken und russische Oligarchen. [...]

  • H
    H.Ewerth

    Deutschland ist zumindest bis zum heutigen Tag der eindeutige Profiteur der Krise innerhalb der Eurozone (welche “Kollateralschäden” in den kommenden Jahren möglicherweise auf Deutschland zurückschlagen werden, ist heute noch ungewiss). Dies gilt sowohl hinsichtlich des Exports von Arbeitslosigkeit in die übrigen Staaten der Eurozone (was dort zu Wachstumsverlusten und höherer Staatsverschuldung führt) als auch im Hinblick auf die krisenbedingt hohen Zinsabschläge auf deutsche Staatsanleihen.

    Zu den von Ulrike Herrmann beschriebenen Konsequenzen aus dem Sparen der deutschen Privathaushalte, der deutschen Unternehmen sowie des deutschen Staates und dem daraus notwendig werdenden deutschen Kapitalexport (d.h. Anstieg der Auslandsverschuldung in den kapitalimportierenden [Krisen-]Staaten) schreibt Heiner Flassbeck in seinem Buch “Zehn Mythen der Krise

  • H
    H.Ewerth

    @von Ulrike

    Respekt, statt Argumente die nachvollziehbar wären, können viele Deutsche, wer eine andere Sicht der Dinge vertritt, in Deutschland nur Beleidigungen, Diffamierungen und noch schlimmeres verbreiten? Nach dem Motto: „Deutschlands Mehrheit“ hat immer Recht, hat sie einmal nicht Recht, wird beleidigt und diffamiert. Andere Meinungen darf es und hat es nicht zu geben in Deutschland? Es besteht ein gewaltiger Zusammenhang zwischen den Exportüberschüssen, und den Defiziten anderer Länder. Die sind nämlich nur deshalb entstanden, weil Deutschland seine Waren hochsubventioniert und damit andere Länder in der EU und nicht nur dort, alle niederkonkurriert, um dann die kleinen Länder, welche sich nicht mehr wehren können, (weil keine eigene Währung) zu behaupten sie seien selber schuld.? Offensichtlich sitzen Sie in der Mehrheit der öffentlichen Meinung der Propaganda auf? Das war und ist schon immer so in Deutschland gewesen. Man sollte Ursachen und Wirkung nicht verwechseln. Im Übrigen hilft Deutschland nicht den Ländern sondern u.a. seinen eigenen Banken, die weiterhin ohne Rücksicht auf Verluste, die Kosten sozialisieren und die Gewinne privatisieren. Im Übrigen heute wird Beleidigt, als nächstes wird wieder "Gewalt" angewendet, um seine Meinung durch zu setzen?

  • H
    H.Ewerth

    All dies wäre noch hinzunehmen, wenn der Allgemeinheit oder wenigstens der Politik bewußt wäre, daß in dieser Lage nur noch ausländische Unternehmen und Konsumenten dafür sorgen können, daß deutsche Sparwünsche nicht sofort in die Rezession führen. Doch weit gefehlt: Gerade weil das Ausland in hohem Maße verschuldet ist und die Grenzen seiner Verschuldungsfähigkeit erreicht hat, wird es von Deutschland beschimpft und bei der Kreditvergabe, die das deutsche Modell am Leben erhält, mit Bedingungen überzogen, die in vielen Ländern neue Armut und früher oder später einen Aufstand der Massen provozieren werden

  • K
    Karl-August

    @Momo

     

    1. Hier geht es nicht um die deutsche Exportwirtschaft und Außenhandelsüberschüsse. Frau Herrmann konstruiert einen Zusammenhang zwischen öffentlicher Verschuldung (Deutschlands) und Spekulationsblasen auf Vermögensmärkten (z.B. in den USA).

     

    2. Wenn irgendjemand vom irgendwas profitiert, ist ihm dafür keine Verantwortung oder gar Schuld zuzuweisen. Hier gilt Ursache und Wirkung zu unterscheiden.

     

    3. Grundsätzlich ist jeder für seine Verschuldung selbst verantwortlich. Niemand wird gezwungen deutsche Waren zu kaufen, und der deutschen Exportwirtschaft kann man nicht zum Vorwurf machen, dass sie ihre Waren absetzen will.

     

    4. Das Beispiel der Fed zeigt, wohin es führen kann, wenn eine Notenbank (übermäßig) Konjunkturpolitik betreibt, anstatt sich primär auf die Preisstabilität zu konzentrieren.

     

    5. Die Verwerfungen in der Eurozone sind die Folgen einer fehlkonstruierten Gemeinschaftswährung. Hier sind Länder und Volkswirtschaften in einem Währungsverbund, die politisch und ökonomisch (noch) nicht zusammengehören.

  • M
    Momo

    In Ergänzung zu Ulrike Herrmanns Beitrag verweise ich auf den heute in den NachDenkSeiten veröffentlichten, m.E. hervorragenden Beitrag des Unctad-Cefökonomen Heiner Flassbeck: (ergänzt um ein Vorwort von NDS-Herausgeber Albrecht Müller):

     

    "Keine Rosen aus Athen"

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=15361#more-15361

  • M
    Mutwürger

    Die Dummheit scheint hier bei den Kommentatoren zu liegen. Nunja, sei's drum...

  • M
    Momo

    @Karl-August__Die jahrelange Niedrigzinspolitik der US-Notenbank wurde doch ganz wesentlich wegen der Negatinvfolgen betrieben, die aus dem Platzen der weltweiten, finanzkapitalistisch bedingten "Dotcom"-Internetblase zur Jahrtausendwende resultierten. Es war doch gerade auch die deutsche Exportwirtschaft, welche entweder direkt (durch deutsche Exporte in die USA) oder indirekt (durch Exporte deutscher Maschinen nach China, die diese einsetzten, um den US-Markt mit chinesischen Produkten zu überschwemmen) von der Niedrigzinspolitik der US-Notenbank profitierten.

     

    Und daß die lohn- und sozialdumpingbedingen deutschen Exportüberschüsse mittels Kapitalexport die Auslandsverschuldung nicht nur innerhalb der Eurozone, sondern auch in den USA nach oben treiben (die deutsche Exportindustrie erzielt auch mit den USA hohe Außenhandelsüberschüsse) und dann v.a. innerhalb der Eurozone massive ökonomische Vewerfungen hervorrufen, ist doch gar nicht abzustreiten!

  • F
    frei

    langsam, gaaanz laaangsam versteht auch die Hermann Ursachen und Hintergründe der neolibberalen Krise, vergl Kommentare der Hermann vor einem Jahr oder früher mit ihrem quatsch vom Sparen.

    Danke Lafontaine und anderen Aufklärern. Es hat lange gedauert bei der Taz und ist bei den neoliberalen Agenda-Grünen leider immer noch nicht angekommen.

  • G
    GevatterGans

    Frau Hermann,

     

    Da bekommt man einmal seit den 70ern eine (etwas gemaulschelte) schwarze Null hin und dann soll das schon wieder ein Problem sein. Für die nächsten Jahre ist so eine schwarze Null schon wieder unwahrscheinlich. (vgl. Konjunktur, diverse offene Rechungen in Sachen Euro, Demographie etc.)

  • K
    Karl-August

    Es hätte mich auch gewundert, wenn die Frau Herrmann nicht irgendwann Deutschland für die amerikanische Hypothekenkrise verantwortlich gemacht hätte. Wer sollte auch sonst schuld sein...

     

    Ich halte mal fest:

    Wenn die amerikanische Fed (laut Frau Herrmann im Gegensatz zur EZB eine vorbildliche "normale" Notenbank) durch jahrelange Niedrigzinspolitik und Anleihenaufkäufe eine Geldschwemme auslöst, dann sind an der Bildung von Spekulationslasen die Deutschen schuld, die nicht genug Schulden aufgenommen haben. Oder so ähnlich.

  • U
    Ulrike

    Respekt: Das ist der Abstand dümmste und peinlichste Artikel zum Thema "Wirtschaft", den ich je gelesen habe. Steuern erhöhen, um Blasen zu verhindern? Respekt, so etwas muss man erst einmal erfinden, und dann so dumm sein, es auch noch zu veröffentlichen.

     

    Seit ihrem Bestehen begeht die taz übrigens organisierten, von mächtigen Lobbyverbänden unterstützten Steuerbetrug und führt statt der fälligen 19 % nur 7 % Umsatzsteuer ab - das ist dreister Diebstahl von Volkseigentum und eine unfassbare, illegale Subvention. Erst nachdem die taz sämtliche Steuerschulden seit ihrem Bestehen zuzüglich Zinsen beglichen hat, sollte sie Steuererhöhungen für "die anderen" fordern. Vorher bitte nicht.

  • JR
    jan reyberg

    Lebensversicherer haben ganz andere Probleme. Die wissen nicht, wo sie eine Verzinsung herholen sollen, um die Verpflichtungen aus langlaufenden Zinsgarantien zu decken. Deutsche Staatsanleihen sind dafür die schlechteste Lösung, da fast nichts schlechter verzinst wird.

     

    Die deutsche Bevölkerung altert und reproduziert sich kaum. Die Kapitalausstattung der Unternehemn ist schon gut und die wesentlichen materiellen Bedürfnisse sind gedeckt. Daher kann der deutsche Kapitalüberhang wunderbar ins Ausland gebracht werden um dort in Regionen mit schlechterer Kapitalaustattung investiert zu werden. Aufsteigende Regionen mit hohem Bevölkerungswachstum kommen Kapitalinvestitionen bei der Entwicklung auch der Löhne zugute. Je höher die Kapitalaustattung pro Arbeitskraft ist, desto höhe rist der Ertrag der Arbeitszeit und desto höher können die Löhne werden. Renditen aus diesen Investitionen können einen Teil der deutschen Altersvorsorge bilden. Ist doch alles eine Bombensache.

     

    In der deutschen Sparquote den Krisenauslöser zu sehen kann ich nicht nachvollziehen. Verstehe den Artikel nicht.