piwik no script img

Kommentar Sozialer WohnungsbauEtwas beherzter, bitte

Bauministerin Hendricks will das Grundgesetz ändern, damit der Bund den sozialen Wohnungsbau fördern kann. Doch dafür haben wir nicht genug Zeit.

Eine Wohnung in München? Viel Spaß bei der Suche Foto: dpa

In vielen Ballungsräumen sind Wohnungen knapp, vor allem bezahlbare. Und trotz Mietpreisbremse steigen die Mieten. Ein wichtiger Grund: Der soziale Wohnungsbau wurde zu lange vernachlässigt. Das ist eine unangenehme Situation für eine sozialdemokratische Bauministerin wie Barbara Hendricks. Ihr Ruf nach einer Grundgesetzänderung soll nun zumindest klarstellen: „Ich bin nicht schuld.“ Schuld sind also die Länder.

Bis 2006 konnte der Bund den Ländern relativ großzügig Finanzhilfen geben, auch für den sozialen Wohnungsbau. Seit der Föderalismusreform ist dies nicht mehr möglich. Allerdings haben die Länder ausgehandelt, dass der Bund bis 2019 als „Kompensation“ den Ländern Geld in gleicher Höhe zahlen muss. Seit 2014 fließen die Gelder jedoch ohne Zweckbindung. Die Länder dürfen die Bundeszuschüsse für den sozialen Wohnungsbau als auch für ganz andere Investitionen verwenden. Was für ein Unsinn!

Es besteht aber tatsächlich die Chance, das Grundgesetz zu ändern. Schließlich würden die Kompensationszahlungen des Bundes ab 2020 ja ersatzlos entfallen. Da stimmen die Länder wohl lieber einer Verfassungsänderung zu – die dem Bund erlaubt, ihnen weiter Milliarden zu überweisen, nun wieder zweckgebunden. Der soziale Wohnungsbau würde davon aber erst ab 2020 profitieren. So viel Zeit haben wir nicht.

Und es geht nicht nur ums Geld. Der Bund sollte auch die Kriterien für den sozialen Wohnungsbau festlegen können. Bis 2006 hatte er die Gesetzgebungskompetenz hierfür. Dann ging sie in der Föderalismusreform an die Länder. Dies sollte rückgängig gemacht werden. Die von Hendricks vorgeschlagene „Gemeinschaftsaufgabe“ Wohnungsbau genügt hierfür nicht. Danach würde im Grundgesetz nur ein fester Finanzierungsanteil des Bundes (z.B. 50 Prozent) festgeschrieben, die Gesetzgebungskompetenz bliebe aber bei den Ländern.

Hendricks Vorschlag geht zwar in die richtige Richtung, ist aber noch zu halbherzig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Welche Parteien haben eigentlich über Jahrzehnte den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt? Richtig: CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne. Es ist in der Tat nicht verwunderlich, dass sich hier nun erhebliche Probleme ergeben und auch noch verstärkt ergeben werden. Wenn jahrelang immer wieder das Mantra von Privatisierungen in den Medien von Journalisten und Politikern dem Wähler als höchstes Gut und absolute Notwendigkeit vorgeblubbert werden, ist es wohl kaum verwunderlich, dass nun ein Umsteuern nur zögerlich bis gar nicht vorgenommen werden wird.