Hendricks will Grundgesetzänderung: Der Bund soll wieder sozial bauen
Sozialer Wohnungsbau ist Ländersache. Noch. Weil günstiger Wohnraum fehl, will Bundesbauministerin Barbara Hendricks den Bund wieder beteiligen.
Berlin dpa | Bundesbauministerin Barbara Hendricks will sozialen Wohnungsbau wieder zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern machen – und erntet dafür sowohl Lob als auch Widerspruch. Die SPD-Politikerin schlug vor, das Grundgesetz so zu ändern, dass der Bund sich auch über 2019 hinaus engagieren darf.
Wohnungsbau ist seit 2006 in Länderhand, der Bund zahlt bis 2019 sogenannte Kompensationsmittel. „Der Bedarf ist so riesig, dass die Länder das auf Dauer nicht allein stemmen können“, schrieb Hendricks am Dienstag auf Facebook. Zuvor hatte sie mit den Zeitungen der Funke-Gruppe darüber gesprochen.
Die Union widersprach. „Die Vermischung von Verantwortlichkeiten von Aufgaben führt am Ende des Tages nicht zu einem guten Ergebnis“, sagte Fraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) kritisierte, die SPD habe nur den sozialen Wohnungsbau im Blick und blockiere etwa beim Baurecht oder der steuerlichen Förderung. „Wir müssen dafür sorgen, dass Privatinvestoren wieder investieren.“ Ohne die Stimmen der Union ist die nötige Grundgesetzänderung nicht möglich.
Unterstützung bekam Hendricks dagegen von der Opposition. Die Länder bräuchten offensichtlich mehr strukturelle Unterstützung, teilte der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Chris Kühn, mit. Auch seine Kollegin von der Linkspartei, Caren Lay, sagte: „Dass der soziale Wohnungsbau komplett zur Ländersache gemacht wurde, war ein großer Fehler der Föderalismusreform.“
Hunderttausende Wohnungen fehlen
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW begrüßte den Vorstoß. Manchen Ländern fehle die Finanzkraft, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Daher müsse der Bund „mit voller Kraft“ mitwirken können. Der Deutsche Mieterbund äußerte sich ebenfalls zustimmend: „Eine Neuregelung ist dringend erforderlich.“ Der Neubau von mindestens 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr könne von den Ländern allein nicht realisiert werden, sagte Bundesdirektor Lukas Siebenkotten.
Dem Mieterbund zufolge fehlen in Deutschland bis zu eine Million Wohnungen, insbesondere günstige. Demnach müssen jährlich 400.000 Wohnungen neu gebaut werden, davon 100.000 Sozialwohnungen.
Auch in den Ländern war das Echo geteilt. „Es gibt gute Gründe dafür, dass die Länder die Kompetenz für den sozialen Wohnungsbau haben“, sagte ein Sprecher der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD). Diese Weichenstellung sollte nicht wieder rückgängig gemacht werden. Zustimmung gab es dagegen von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller und Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (beide SPD). Sieling ist zudem Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz.
Leser*innenkommentare
mowgli
Heißt es eigentlich: "Das Spiel der Freien Märkte" oder "Das freie Spiel der Märkte"?
Egal. Fakt ist: Ziel der Betätigung am Freien Markt ist der Gewinn. Soziale Wohltaten sind nicht oberstes Ziel von Menschen, die auf Märkte gehen. Man soll sozialen Wohnungsbau deshalb auch nicht vom Freien Mark erwarten. Der kann nur schick und teuer, nicht billig und gleichzeitig gut. Für die Verlierer des Wettbewerbs ist das ärgerlich. Vor allem, weil des den sozialen Wohnungsbau schon einmal gab. Er ist nur grade etwas aus der Mode. Man kommt also einfach zu spät, wenn man noch nicht sozial wohnt, aber gerne wohnen würde. "Schon wieder!", denkt man sich.
Dem Staat ist nicht erlaubt, Gewinne zu erwirtschaften. Auch nicht mit Wohnungen. Das Verbot soll das Recht ausgleichen, Steuern ohne konkrete Gegenleistung und notfalls mit Gewalt einzutreiben. Keinen Gewinn machen zu dürfen, ist allerdings nicht attraktiv für den modernen "Leistungsträger". Deswegen finden sich auf staatlichen Führungsposten oft Leute wieder, die unter Erfolg was anders verstehen. Zum Beispiel Autorität.
Das hat zur Folge, dass "der Staat" oft Leute sind, die nicht so richtig wissen (dürfen), was sie tun - weil man es ihnen nämlich ständig vorschreibt. Denen müssen Prinzipien egal sein. Wenn sie hören, dass ein Staat nur dann ein guter Staat ist, wenn er wirtschaftlicher arbeitet als die Wirtschaft selbst, dann nehmen sie das hin. Im Namen des Betriebsfriedens und der privaten Liquidität.
Ich kann "der Union" nicht widersprechen. "Die Vermischung von [...] Aufgaben führt am Ende des Tages nicht zu einem guten Ergebnis". Man hätte Staat Staat sein lassen sollen und Wirtschaft Wirtschaft. Wo sich jede Großstadt auf Kosten ihres Umlandes "rechnen" muss, und zwar besser als alle anderen, kann eigentlich nur Mist passieren. Und dafür will dann wieder niemand die Verantwortung. Auch "die Union" nicht , die ja federführend war in Sachen Aufgabenverwirrung.