Kommentar Sommerstress: Ferien, die Hölle auf Erden
Die schönste Jahreszeit hat begonnen. Nun wächst die Panik vor unkontrollierbaren, öffentliche Orte okkupierenden Horden.
A rmageddon scheint angebrochen. Kinder laufen außer Rand und Band durch die Straßen oder erstechen uns in Regionalzügen. Sie füllen die Freibäder und nehmen Erwachsenen dort den Platz weg. Vor allem aber wird es überall sehr laut.
Kinder sind wie Amis: Die eigene Bedeutung vollkommen überschätzend blähen sie ihr Sein und Wohl und Wehe mit unkontrollierter Lautstärke durch die Welt. „Müssen die denn nie ins Bett?“, fragt sich der entnervte Altmensch. Nein, müssen sie nicht. Denn sie haben Ferien, ein Synonym für die Hölle auf Erden.
Die Lehrer schützen uns nicht mehr, für lange Wochen liegt die Pflichtaufgabe unserer Schulen brach: Gefängnisse der Lehre und der Erziehung zu sein, in denen der Delinquent vor sich selbst und die Gesellschaft vor ihm sicher ist. Nun versuchen Eltern, die Verantwortung zu übernehmen, doch sie sind dazu nicht ausgebildet.
In ihrer Ohnmacht schaffen viele die Kinder in sogenannte Urlaubsländer. Dabei produzieren sie Megastaus, die die Infrastruktur komplett lahmlegen. Statt dringend benötigte Frischwaren und Medikamente für die Bevölkerung zu transportieren, dient die Autobahn als Riesenparkplatz und Friedhof der Nerven mit Särgen aus heißem Blech, darin quengelnde Gören, und aus den Boxen dröhnt die frohe Botschaft des allmächtigen Benjamin Blümchen.
Sie werden als mögliche Nachfolger für Sigmar Gabriel gehandelt. Ob EU-Präsident Martin Schulz und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz die SPD aus der Krise bringen könnten, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 23./24. Juli. Außerdem: Ein Dossier zur Türkei. Wie erleben die Menschen in Istanbul die Woche nach dem Putsch und wie tickt Präsident Erdoğan? Und: Franz Herzog von Bayern könnte heute König sein, wäre da nicht 1918 dazwischengekommen. Ein Gespräch mit einem verhinderten Monarchen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Für die älteren Schüler gab es früher immerhin noch Interrail. Per Zug verschwanden sie in abgelegene Orte, die ihnen der Zufall zuwies, und wer die Gemengelage aus Lambrusco, trockenem Toast, chronischer Schlaflosigkeit und Straßenräubern überlebte, kam wenigstens für eine Weile still und geläutert zurück nach Hause. Das war schön.
Heute fliegen die spätpubertären Racker. Keiner geht mehr in einem finnischen Forst oder einem Hafenbecken in Marseille verloren. Stattdessen verbreiten sie sich wie Heuschrecken blitzschnell über den ganzen Kontinent.
Gut, dass die Bundesländer unterschiedliche Ferienzeiten haben, so kann man zu Hunderttausenden in das jeweils gerade nicht betroffene Bundesland hoppen. Vom Weltraum aus gefilmt sähe das vermutlich aus wie verzweifelte Eisbären, die in der klimawandelgeschädigten Arktis von einer schmelzenden Scholle zur nächsten springen.
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