Kommentar Siemens oder GE: Eiertanz um Alstom
Die Pariser Regierung muss sich entscheiden, ob der Konzern strategisch wichtig für das Land ist. Derzeit nährt sie nur Illusionen bei den Franzosen.
A m Ende wird die französische Regierung nichts gewonnen haben als ein bisschen Zeit. Und alle Chauvinisten, die ermutigt durch die patriotischen Tiraden von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in Frankreich für Alstom auf eine nationale Lösung gehofft hatten, werden erst recht frustriert sein. Sie wurden im Glauben bestärkt, dass der Staat immer noch das nötige Geld, die Macht und vor allem den Willen hat, das Allgemeinwohl in der französischen Wirtschaft gegen private Interessen durchzusetzen.
Doch entweder stellt der Energiesektor von Alstom wirklich eine Sparte dar, die wegen ihrer strategischen Bedeutung gegen einen ausländische Übernahme geschützt werden muss. Dann müsste die Regierung logischerweise diese Aktivitäten und die bei einer ausländischen Übernahme gefährdeten Technologien verstaatlichen. Wenn dem aber nicht so ist, wäre es für eine Regierung, welche sich grundsätzlich zur kapitalistischen Marktwirtschaft bekennt, doch ziemlich problematisch bis widersinnig, einem privaten Unternehmen vorschreiben zu wollen, mit wem es anbandelt oder eben nicht.
Vor allem wäre eine vorübergehende Nationalisierung – wie 2004 gehabt – ja selbst für Montebourg, der das ernsthaft erwägt, nicht nur politischer Selbstzweck. Eine solche staatliche Rettungsaktion müsste Teil eines industriepolitischen Projekts sein. Davon aber kann heute in Frankreich keine Rede sein. Aus rein ideologischen Gründen nährt der Minister, der die Politik vor Wirtschaft stellt, darum bloß Illusionen bei seinen Landsleuten.
Diese müssen bei diesem Eiertanz um Alstom den Eindruck gewinnen, dass die ganze Konfusion womöglich nur dazu dient, um aus ebenso ideologischen Gründen den Boden für ein verbessertes Gegenangebot für eine Übernahme durch Siemens statt General Electric (GE) vorzubereiten.
Diese wird von der Staatsführung in Paris eindeutig als das kleinere Übel betrachtet, weil sie sich sich der Öffentlichkeit so kurz vor den Europawahlen besser verkaufen ließe. In Frankreich gilt noch immer das Primat der Politik vor dem Business.
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