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Wenn mehrere unabhängige Gutachter es für extrem wahrscheinlich halten, daß ein Vergewaltiger einen weiteren Menschen fürs Leben traumatisiert und ihm die unbeschwerte Sexualität zerstört, dann verurteilt man mit der Entlassung des Vergewaltigers diesen anderen, noch unbekannten Menschen, exakt dazu. Das ist kein statistischen Zahlenspiel, sondern die unausweichliche Konsequenz der Entlassung aus angeblich humanitären, liberalen Prinzipien. Ist es Dummheit oder Sadismus, die hier beim Abwägen der jeweiligen Menschenrechte von Täter und neuem Opfer zur falschen Schlußfolgerung kommt?
Die Nachricht lese ich gern, auch der Kommentar gefällt mir. Deutschland hat Ansehen zurückgewonnen. Aber vergessen wir nicht: Medien haben diesbezüglich sehr viel Hysterie herbeigeredet, der sind Politiker später gefolgt. Auch Gerichte wurden in ihren Entscheidungen beeinflusst. Straftaten müssen resozialisierend und in voller Gesetzeshärte geahndet werden! Aber Kranke gehören in die Hände von Fachleuten. Oder sie müssen, ihrem Krankheitsbild entsprechend, angemessen untergebracht werden. Jeder weiß, der Knast ist der falsche Ort für sie. Der muss gesunde Straftäter resozialisieren! Dass ist schwer genug. Ich danke den Verfassungsrichtern für die Wiederaufrichtung meines Glaubens an den deutschen Rechtsstaat.
Ich bin so stolz auf unsere BVerfGRi. Da werden wohl auch die Bundesländer richtige "Sicherungsverwahrungsgesetze" erlassen müssen. Man kann gespannt sein, was dabei raus kommt.
Die Schweiz hat viele schöne Seiten. Aber Klimaschutz und Menschenrechte sind dem Bundesrat dort bisweilen egal. Dafür sollten sich die Eidgenossen schämen.
Kommentar Sicherungsverwahrung: Nachhilfe in liberalem Recht
Das Verfassungsgericht erachtet das gesamte Recht zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Das ist eine Nachhilfestunde in liberaler Rechtspolitik.
BERLIN taz | Mit einer so weitreichenden Entscheidung hat niemand gerechnet. Das Bundesverfassungsgericht hat das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Es ist zwar auch in Zukunft möglich, dass hochgefährliche Strafgefangene nach Verbüßung der Strafe hinter Gitter (nicht: im Gefängnis) bleiben müssen. Doch das Recht der Sicherungsverwahrung muss völlig neu geregelt werden.
Das ist ein herber Dämpfer für Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die von ihr als großer Wurf gefeierte Reform der Sicherungsverwahrung, die erst Anfang diesen Jahres in Kraft getreten ist, wurde von den Verfassungsrichtern gleich wieder versenkt.
Was bisher nur halbherzig war, soll jetzt konsequent umgesetzt werden, fordern die Richter. Die Sicherungsverwahrung soll letztes Mittel sein und so schnell wie möglich enden. Deshalb sollen Verwahrte, zum Beispiel, einen Anspruch auf Vollzugslockerungen (zum Beispiel begleitete Ausgänge) bekommen.
Nur so können sie sich erproben und zeigen, dass eine Entlassung möglich ist. Was sich Leutheusser-Schnarrenberger - zur Vermeidung von Risiken oder aus Rücksicht auf die Union - nicht getraut hat, schreibt das Bundesverfassungsgericht nun vor. Das Urteil ist insofern eine Nachhilfestunde in liberaler Rechtspolitik.
Zugleich ist das Karlsruher Urteil ein Friedensangebot an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Karlsruhe hat seine eigene Rechtsprechung korrigiert und beanstandet jetzt (wie Straßburg) die jüngsten Reformen der Sicherungsverwahrung, insbesondere die rückwirkende Verlängerung über zehn Jahre hinaus.
Dass die Betroffenen nicht sofort entlassen (oder in die Psychiatrie überführt) werden müssen, verstößt zwar gegen die Straßburger Regeln, sollte als Kompromiss aber auch für den Straßburger Gerichtshof akzeptabel sein. Karlsruhe hat sich jedenfalls viel mehr bewegt.
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Kommentar von
Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).