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Kommentar Sicherheit im StadionDie totale Kontrolle

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Es ist nicht leicht, über Fußballfans zu reden in diesen Tagen. Doch für die Sicherheitsapologeten ist es ganz einfach. Nur die bürgerliche Mitte schweigt.

D a ist der Papa, der seine zwei kleinen Töchter an seinen Klub heranführen will. Das Pärchen, das seinen Hochzeitstag im Stadion verbringt, ist auch da – genauso der Rentner, der eigentlich schon immer im Stadion war. Er kennt die bunten Fans, die am Spieltag grölend durch die Städte ziehen, und er freut sich, wenn die jungen Leute auf den Stehplätzen, die sich Ultras nennen, zu singen anfangen. Sie alle sind Fans. Sie feiern Messen für ihre Passion. Es ist eine Freude.

Dann brennt es in der Kurve. Roter Rauch steigt auf. Männer prügeln sich. Noch mehr Männer liefern sich Auseinandersetzungen mit behelmten Polizisten. Hubschrauber kreisen über den Stadien, Überwachungsdrohnen fliegen vor den Stehplatzbereichen, Delinquenten werden in den Stadionknast gesperrt. Polizeibeamte und Innenminister sprechen von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Es ist ein Graus.

Es ist nicht leicht, über Fans zu reden in diesen Tagen. Die einen denken an entsetzliche Gewaltexzesse, wenn sie nur das Wort Stadion hören, andere schwärmen von stimmungsvollen Events und vergessen dabei, dass es auch gefährlich sein kann, wenn eine bengalische Fackel außer Kontrolle gerät.

Bild: taz
ANDREAS RÜTTENAUER

ist Sportredakteur der taz.

Doch für die Sicherheitsapologeten in der deutschen Politik ist alles ganz einfach. Sie wollen mit aller Macht die totale Kontrolle über die Stadien und sehen genüsslich dabei zu, wie aus lauter Angst vor Fangewalt, die sie selbst mit ihren Worten schüren, rechtsstaatliche Standards aufgeweicht werden, auf die eine Demokratie eigentlich stolz sein sollte. Sie befürworten eine Denunziationskultur in den Kurven, wollen Fanklubs mittels Kollektivbestrafungen den Stadionzutritt verwehren, wenn ein einziges Mitglied Mist gebaut hat, und finden es angebracht, wenn Sicherheitsdienste den Fans in den entblößten After schauen – es könnte ja darin Pyrotechnik ins Stadion geschmuggelt werden.

Die allgemeine Empörung über diesen Sicherheitsfanatismus hält sich indes in Grenzen. Über die Einführung von Ganzkörperscannern an deutschen Flughäfen kann sich die bürgerliche Mitte durchaus empören. Das Filzen von nackten Fans ist ihr egal. Auch für das noch so liberale Bürgertum stehen die meist sehr jungen Ultrafans schon längst außerhalb der Gesellschaft. Die spüren, dass sie als Outlaws wahrgenommen werden, und fühlen sich zunehmend vogelfrei. Sicherer macht das die Stadien nicht.

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Andreas Rüttenauer
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5 Kommentare

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  • US
    Uwe Scheuermann

    Würde man, wie ja selbst Hoeness mal vorgeschlagen hatte, eine Vereinbarung mit den Ultras treffen und ihnen einen Sonderbereich zuweisen, wo sie ihre Pyros abbrennen können, ist das um ein vielfaches sicherer als Silvester. Hier macht der meist schon total besoffene Papi den Feuerwerker nämlich direkt neben seinen Kleinkindern oder sogar mit deren Beteiligung.

     

    Im Stadion gilt: vieles sieht bombastisch und gefährlich aus. Ist es aber gar nicht. Wer das nicht glaubt, soll sich mal die Relation von Verletzten im Vergleich zur Gesamtzahl der Zuschauer angucken. An einem ganz normalen Werktag einfach nur Strassenbahn fahren ist viel gefährlicher. Vom Kirmesbesuch mal ganz zu schweigen.

     

    Ich geh schon mein Leben lang ins Stadion. Einmal einen leeren Plastikbecher an die Hand gekriegt (und das beim Jubel über das Siegtor mitten im gegnerischen Block) ist alles, was ich anzubieten habe. Und ich bin da weder leise noch vorsichtig (noch sehe ich aus wie Schwarzenegger). Mein Sohn geht mit, seit er zehn ist.

     

    Einmal haben wir sogar einen Tribünensturm erlebt. Die haben sich aber nicht um uns gekümmert, sondern wollten zur gegnerischen Fanschaft. Wir liessen sie vorbei, und das war es.

     

    Das ist nicht verharmlosend. Sondern die Politik versucht aus durchsichtigen Gründen, einen Popanz aufzubauen, den sie anschliessend abschlachten kann. Die Wähler (das seid wohl ihr alle) sollen denken, es passiert etwas, wo in Wirklichkeit (NPD/NSU) nur rumgestümpert wird. Mit Italien ist die Situation nur insofern vergleichbar, als dass da auch nichts gegen Rechtsradikale unternommen wurde. Jetzt haben sie die Fussballstadien usurpiert.

  • H
    HH-Deern

    "...es auch gefährlich sein kann, wenn eine bengalische Fackel außer Kontrolle gerät..." genau, da kann schon dabei die Fahne des HSV-CF Feuer fangen *lach*

    Stadion-Pyro kann wirklich sehr gefährlich sein und ist auch noch so umweltschädigend, kitschig und nervtötend wie die Silvester- oder Kirmes-Feuerwerke. Aber gerade deswegen musste sie unbedingt und sehr bald in den Stadien reguliert erlaubt sein und die Prolligen und Halbstarken in deren getrennten, dafür vorgesehennen Bereiche ein Recht auf das kindliche Abfackeln bekommen.

     

    Es ist doch glasklar: Das Verbotene macht es doch erst reizvoll für die Jungs und Mädels in den Kurven...

  • TE
    Thomas Ebert

    Schläger und Brandstifter sind keine "Fans", sondern Kriminelle! Zusätzlich kommt noch der Straftatsbestand der Sachbeschädigung, wenn diese Irren überall ihre Parolen ranschmieren.

    Der Papa mit den beiden Töchtern wird sich herzlich bedanken, muss er erst mal den Bengalo aus dem langen Haupthaar der Kleinen fischen. Genau wie der Opa wenn nach dem Gesang die Fäuste fliegen und er mit dem Rollator nicht rechtzeitig flüchten kann.

    Hört mal mit der Verharmlosung von Kriminalität auf!

     

    Sicher werden immer auch Unbeteiligte bestraft, aber anders lernen es die Vereine NIE!

    Oder mal kurz: Stadionverbot für alle "Ultras" und viele (sicher nicht alle) Probleme sind Geschichte.

  • N
    Normalo

    Vielleicht wundert sich die bürgerliche Mitte auch einfach über den frappierenden Zusammenhalt zwischen den "normalen" Fans und den Chaoten - wobei man da bei vielen Ultra-Gruppierungen wohl auch nur schwer eine klare Linie wird ziehen können. Jedenfalls wäre die ganze Aufregung nicht notwendig, wenn die im Schweigen ach so starke Gemeinschaft der Fans mal intern ein wenig aufräumen würde. Was in der taz wohlfeil als Widerstand gegen "Denunziationskultur" gepriesen wird, gilt in anderen Sportarten als "omertà" und im normalen Leben als Mangel an Zivilcourage. Ich würde mir wünschen, Sie würden an zur Selbstregulierung unfähige Fangruppen dieselben rigorosen Maßstäbe ansetzten, wie Sie das an nicht hinreichend selbstgegenderte Unternehmensvorstände tun...

     

    Davon abgesehen:

    Nein, Bengalos (noch dazu solche, die am Ende auf dem Rasen landen oder ganze Tribünen einnebeln) sind NICHT notwendiger Bestandteil einer tollen Stimmung in der Kurve. Fahnen, Transparente und vor allem Gesänge tun es vollkommen. Wer meint, er müsse partout auch die Mittel einsetzen dürfen, die Veranstalter und andere Zuschauer mit guten Gründen ablehnen, fordert damit letztlich einen Kotau der Gesellschaft vor seinem - selbstgewählten - Engagement, das ihm in der weitgehenden Form nicht zusteht.

  • S
    Stefan

    "und vergessen dabei, dass es auch gefährlich sein kann, wenn eine bengalische Fackel außer Kontrolle gerät. "

     

    Bald ist wieder Sylvester. Den Tag möchte ich erleben, dass Feuerwerk hierzulande verboten wird, weil einzelne Raketen oder Böller ausser Kontrolle geraten können...