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Kommentar Sexuelle Gewalt in der KircheBedauern reicht nicht

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die katholische Kirche will ernsthafte Lehren aus der Missbrauchsstudie ziehen. Dann muss sie endlich auch Täternamen öffentlich machen.

Der Papst entschuldigte sich bei den Opfern von sexueller Gewalt – mehr ist bislang nicht passiert Foto: dpa

D ie katholische Kirche hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn es um die Aufarbeitung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen geht. Bislang wurde man den Verdacht nicht los, dass sie sich mehr oder weniger sträubt, die seit 2010 öffentlich gewordenen massiven Vorfälle ernsthaft aufzuarbeiten. Diesem Eindruck versuchen die Kleriker nun mit einer groß angelegten Studie entgegenzuwirken, die die Strukturen eines missbrauchsfördernden Systems offenlegen soll.

Die Studie, die am Dienstag in Fulda vorgestellt wurde, ist ein erster Schritt. Auch wenn das Projekt Mängel hat, die die ForscherInnen selbst benannten. So bekamen sie keinen direkten Zugang zu den Originalakten und waren auf freiwillige Mitarbeit der Bistümer angewiesen. Von diesen hat jedoch nur ein Drittel seine Archive geöffnet. Die Befunde, die die ForscherInnen aus kirchlichen Personalakten, Strafakten und Interviews mit Betroffenen ziehen, zeichnen daher nur ein unvollständiges Bild der Gewalttaten. Die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher, da sind sich die ExpertInnen einig, sie sprechen bei ihren Ergebnissen von „der Spitze eines Eisberges“.

Bislang blieben Reaktionen von Kirchenvertretern bis hinauf zum Papst nach solch beschämenden Enthüllungen meist auf der Bekenntnisebene stecken: Die Kleriker missbilligen und verurteilen sexuelle Gewalt in den eigenen Reihen. Genau das kostet die katholische Kirche Glaubwürdigkeit. Das scheint sie – so hofft man – mittlerweile verstanden zu haben.

Am Dienstag zumindest sagte Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Bischofskonferenz: „Es geht hier nicht um Rettung einer Institution.“ Ein Satz, den man so von einem hohen Würdenträger noch nie gehört hatte.Will die katholische Kirche ernsthaft das System von sexueller und seelischer Gewalt an Minderjährigen offenlegen und so weit es geht beseitigen, kommt sie wohl nicht drumherum, auch Namen zu nennen. Obwohl Marx im Hinblick auf die Familien der Beschuldigten genau davor warnt.

Wie Kirchenvertreter auf die beschämenden Enthüllungen reagierten, bleibt auf der Bekenntnisebene stecken

Täternamen zu veröffentlichen tut weh, Täternamen dürften die Glaubensinstitution in ihren Grundfesten erschüttern. Aber will die katholische Kirche jemals wieder glaubwürdig sein und das Vertrauen in die Sicherheit von Schutzbefohlenen zurückerlangen, sollte sie diesen Schritt nicht scheuen. Und im nächsten Schritt die Täter entlassen und nicht – wie mitunter geschehen – versetzen und befördern.

Nur wenn Täternamen bekannt sind, wird sich tatsächlich etwas ändern. Es ist wie mit der #MeToo-Kampagne: Das System sexueller Gewalt an Frauen in nahezu allen Branchen ist seit Langem bekannt. Doch solange keine Namen fielen, wurde den Opfern kaum Glauben geschenkt, die Täter durften sich sicher fühlen, verfolgt wurden sie nur selten. Das änderte sich erst, als die Weinsteins und Wedels tatsächlich abtreten mussten. Es geht dabei keineswegs um willkürliches und rachsüchtiges Anprangern. Es geht um die körperliche und seelische Unversehrtheit von Minderjährigen. Und das ist ein Menschenrecht – auch in der Kirche.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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2 Kommentare

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  • Was ist das für eine wilde Diskussion ... Rechtststaatlichkeit, Persönlichkeitsschutz, gibt´s so etwas gar nicht?



    Wenn Täternamen aus laufenden oder sogar verjährten Fällen veröffentlicht werden sollen, dann bitte auch in jedem Bereich. (Am besten mit Angabe der Nationalität ...)

    Der Bundesbeauftragte hat komplette Akteneinsicht für alle(!) Personalakten für den Staat gefordert. Geht´s noch? Die überwiegende Anzahl unbescholtener kirchlicher MuitarbeiterInnen soll also unter Generalverdacht gestellt werden? Das sind ja nicht nur Priester, sondern auch Erzieherinnen und KrankenpflegerInnen.

    Es müsste dann auch Akteneinsicht in alle Personalakten bei Sportvereinen geben, auch in die Personlakten unbescholtener Trainer, Hallenwarte etc. Probleme mit dem sexuellem Missbrauch gibt es ja in Sportvereinen genauso.

    In dieser Form ist das einfach eine Hetzkampagne. Mit dem leicht erkennbaren Ziel, die Kirche als gesellschaftlichen Akteur zu diskreditieren. Das passt natürlich vielen in den Kram. Z.B. denjenigen, denen die kirchliche Position in Flüchtlingsfragen ein Dorn im Auge ist. Oder denjenigen, die die kirchlichen Sozialeinrichtungen gerne in der Hand von Privatinvestoren sähen.

    Na meinetwegen. Mir ist wichtig, dass ich sonntags in die Messe gehen kann. Was aus Deutschlnd wird, ist demgegenüber extrem relativ.

  • Warum ist eigentlich die Staatsanwaltschaft so still? Der Verdacht, dass in den Bistumsakten noch unbekannte, nicht verjährte Fälle verborgen sind, ist doch kaum unbegründet. Eine Durchsuchung und die Beschlagnahme der diesbezüglichen Akten der Bistümer wäre doch eine vernünftige Konsequenz.