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Kommentar Serbiens MinisterpräsidentSpionagefarce in Belgrad

Kommentar von Andrej Ivanji

Zum Schluss musste der serbische Ministerpräsident Dacic seine Kontakte zur Drogenmafia zugeben. Ob er gehen muss, hängt von seinem Vize ab.

E s ist wie in einer lateinamerikanischen Seifenoper: Der Ministerpräsident, der gleichzeitig Innenminister ist, dementiert zuerst. Als dann aber von der Kriminalpolizei Beweise durchsickern, gibt er seine Kontakte zur Drogenmafia doch zu.

Ivica Dacic ist dafür bekannt, gern ein Gläschen zu trinken und bei jeder Gelegenheit zu singen, letztens ins Ohr der Schauspielerin Monica Bellucci, die zu Besuch in Serbien war. Kurz bevor es ernst um ihn wurde, glaubte er, Gast eines TV-Senders zu sein, gelangte jedoch in ein provisorisches Studio, in dem eine Moderatorin im kurzen Rock und ohne Höschen während des angeblichen Interviews vor ihm die Beine spreizte – er fiel auf eine „Versteckte Kamera“ herein.

Doch es ist keine Seifenoper, vielmehr eine Spionagefarce, ein Ebenbild der serbischen Innenpolitik, die so wild, wie sie ist, schwerwiegende Folgen für das wirtschaftlich und sozial ruinierte Land haben wird. Der Premier und Innenminister Ivica Dacic hat politisch, fachlich und moralisch abgewirtschaftet. Er behauptet, nicht gewusst zu haben, dass er sich vor knapp fünf Jahren als Innenminister mit einem Mafiaboss traf – angeblich glaubte er, es handelte sich um einen Geschäftsmann.

Der Autor

ANDREJ IVANJI ist Autor der taz. Er lebt in Belgrad.

Dacic beteuert auch, seine Regierung sei stabil, es würde keine Neuwahlen geben. Doch weder das eine noch das andere nimmt ihm noch jemand ab. Am Mittwoch schaltete sich die Sonderstaatsanwaltschaft für organisiertes Verbrechen ein, um die „Kontakte einzelner Funktionäre“ zur Drogenmafia zu untersuchen.

Dacic’ Tage sind gezählt. Als Innenminister hat er offensichtlich keine Kontrolle über Polizei und Sicherheitsdienste, sonst hätte er sich nicht zur Lachnummer machen lassen, die auf YouTube zu sehen ist. Die Opposition fordert sowieso unisono seinen Rücktritt, die EU und Washington werden – trotz seiner guten Dienste als serbischer Chefunterhändler im Dialog mit dem Kosovo – nichts mit ihm zu tun haben wollen, solange seine Kontakte zur Drogenmafia nicht geklärt sind.

Vucic wirkt stets bedrohlich

Dacic’ Schicksal wie die möglichen Neuwahlen hängen allein vom Willen eines Mannes ab, den man hinter den belastenden Beweisen gegen den Premier vermutet – Aleksandar Vucic (42), Vizepremier und Verteidigungsminister, Koordinator der Sicherheitsdienste, zuständig für den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen, Chef des Seniorpartners in der Regierung, der Serbischen Fortschrittspartei (SNS). Er ist der neue starke Mann in Serbien. Und er versteht keinen Spaß. Und zwar buchstäblich.

Mit todernster Miene spricht Vucic, langsam und leise, er wirkt stets bedrohlich. Er gibt sich als jemand, der für den kleinen, ausgeraubten Mann gegen die allmächtigen Tycoons und korrumpierten Politiker kämpft und dabei sein Leben riskiert. Er steckt die Schurken hinter Gitter, genießt seine rasant wachsende Popularität in der Heimat und den Applaus aus Brüssel.

Im Lande der blühenden Korruption ist kaum ein Politiker, kaum ein Geschäftsmann ganz sauber, Geld kriminellen Ursprungs ist längst mit legalem Kapital untrennbar verflochten, auf dubiose Geschäfte stößt man überall. Vucic entscheidet, wann und welche Affären auffliegen. Es geht um politische Manipulation, er will seinen politischen Feinden Angst einjagen und sie isolieren.

Kein Wort über Neofaschisten

Während Vucic als Saubermann den Sumpf der Korruption austrocknet, scheint es denselben Vucic nicht zu stören, dass seine Parteigenossen Listen von unerwünschten „antiserbischen“ Schriftstellern, Künstlern, Medien oder NGOs aufstellen. Er verliert kein Wort über neofaschistische Organisationen, Schwulen- und Judenhasser, gegen das Leugnen serbischer Kriegsverbrechen, gegen die Verehrer serbischer Kriegsverbrecher. Er gehörte ja selbst dazu, bevor der ehemalige Ultranationalist über Nacht zum überzeugten Europäer wurde. Das Gleiche gilt für seine ganze Partei.

In Berlin, Brüssel oder Washington zählt jedoch nur eins: dass Vucic sich an die westlichen Spielregeln in Bezug auf das Kosovo und Bosnien hält. Solange er das tut, kann er auf die Unterstützung der CDU rechnen, seine SNS als europäische Volkspartei zu etablieren. Und wenn die serbische Gesellschaft, wenn zivilisatorische Werte dabei über Bord gehen – was soll’s! Hauptsache, es herrscht Ruhe auf dem Balkan. Ein kurzsichtiges Kalkül.

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