Kommentar Seehofers Rücktrittsplan: Zeit für Bauchtanz und Gartenverein
Horst Seehofers Rücktrittsankündigung sorgt für Konfusion. Am meisten bei ihm selbst. Dabei könnte es so einfach sein.
H orst Seehofer weiß immer noch nicht so ganz genau, wann er zurücktritt. Auch nicht exakt, wovon eigentlich. Das muss nicht wundern angesichts der Varianz persönlicher Entscheidungen. Da wäre zum einen die Möglichkeit, vom Parteivorsitz der CSU zurückzutreten. Eine weitere wäre sein Rücktritt vom Amt des Bundesinnenministers. Oder der Rückzug aus beiden Ämtern. Oder doch besser aus gar keinem? Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten für einen Mann seines Formats.
Die Meldung der Zeit, er plane, am Wochenende vom Parteivorsitz zurückzutreten, beabsichtige jedoch, weiter Minister zu bleiben, hat er bereits mit folgendem epischen Satz dementiert: „Das ist eine fette Ente.“ Sein anschließendes „Alles zu seiner Zeit“ lässt gleichwohl viel interpretatorischen Spielraum. Was ist alles? Wann wird sie denn gekommen sein, die Zeit? Und wenn sie gekommen ist: Wer sagt denn, dass Seehofer dann tatsächlich geht?
Überliefert sind diverse Seehofersche Rücktrittsdrohungen. Tatsächlich zurückgetreten ist er aber nur zweimal, und zwar 2005 als Bundesgesundheitsminister („stehe für Murks nicht zur Verfügung“) und im März als Ministerpräsident („das Werk ist vollbracht“).
Anfang Juli übte sich Horst Seehofer erneut in seiner Spezialdisziplin. Als es um die Einführung von „Transitzentren“ an der deutsch-österreichischen Grenze ging, drohte er zuerst mit der großen Lösung: dem Rücktritt von beiden Ämtern. Um anschließend alle – Partei, Regierung, Ministerium, Mutter Kasner in Templin – zu enttäuschen und von gar nichts zurückzutreten.
Dabei könnte es so einfach sein. Allein in Gerolfing, jenem Ingolstädter Ortsteil, in dem Horst und Karin Seehofer leben, gibt es ein blühendes Vereinsleben. Da wären die Feuerwehr und der Faschingsverein, der Trachtenverein und die Blaskapelle, der Bauchtanz- und der Gartenbauverein.
Viele SeniorInnen wenden sich auch dem Kochen zu. Beim Fanderl, dem Gerolfinger Edeka-Markt, gibt’s diese Woche leider keine Ente im Angebot, auch keine fette. Aber wegen Sankt Martin eine schöne Hafermastgans zu 4,29 Euro das Kilo. Bei dem Preis dürfte selbst ein Horst Seehofer wissen, wo künftig sein Platz ist: daheim.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis