Kommentar Seehofer und die CSU: Ein simpler Bazi
Die Zeiten haben sich geändert. Seehofer ist kein Super-Bazi mehr. Der Krieg gegen Söder war immer armselig, der Sieg ist teuer erkauft.
M üssen wir uns Horst Seehofer als einen glücklichen Menschen vorstellen? Durchaus. „Ich bin rundum zufrieden“, hat er am Wochenende bekannt. Gewiss: So hat sich Seehofer schon mal bezeichnet, Ende letzten Jahres, als er nach einem alle Beteiligten beschmutzelnden Politwrestling den Weg zum Amt des bayerischen Ministerpräsidenten frei machte für den radikal drängelnden Markus Söder. Damals hat Seehofer sein Glück kein Mensch abgenommen.
Doch aus der bitteren Pille von 2017 ist 2018 ein Bonbon – ein „Gutti“, wie man in Bayern sagt – geworden. Man kommt nicht umhin, den fast zehn Jahre alten Ehrentitel „Der postmoderne Super-Bazi“, den Georg Seeßlen einst für Seehofer erfand, aus dem Archiv zu kramen. Seeßlen hatte Seehofer als einen „Bazi, der zugleich einen Bazi spielt und ein Bazi ist“ gezeichnet; die verfolgende Unschuld also, der niemand ans Leder kann, weil Seehofer so abgefeimt offensichtlich den fröhlich abschiebenden Asozialen mimt, mit vor Amtesschwere brüchiger Stimme.
Heute allerdings sind diese Spielchen schal geworden. Heute ist es egal, ob man Seehofer, der wie Söder von unten kommt, seine ebenfalls am Wochenende reformulierte Agenda abnimmt: „Ich will, dass die Politik wieder mehr auf die Anliegen der Bevölkerung schaut, für Recht und Ordnung sorgt, den Menschen Sicherheit gibt, auch soziale Sicherheit.“ Es ist auch dann egal, wenn man daran erinnert, dass Seehofer 2004 bei seinem Rücktritt als Unionsfraktionsvize sogar bei den Grünen als soziales Gewissen der Union galt.
Die Zeiten haben sich geändert. Seehofer ist kein Super-, sondern ein simpler Bazi. Die Einwanderungsgesellschaft ist Realität. Der Krieg gegen Söder war immer armselig, der Sieg ist teuer erkauft: Der Verlust des Vertrauens in die staatlichen Institutionen, für den Seehofer verantwortlich ist, dürfte einzigartig sein in der Geschichte der Bundesrepublik. Eine absolute CSU-Mehrheit in Bayern jedenfalls hätte weniger Schaden angerichtet.
In einer früheren Fassung dieses Textes hieß es irrtümlich, Horst Seehofer sei 2004 vom Posten des Gesundheitsministers zurückgetreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen