Kommentar Schwarz-Rot: Die Last des Sieges
Jetzt wird es auch inhaltlich immer klarer: Die Union ist viel zu stark für ein große Koalition. Dennoch hat sie keine andere Wahl.
Wahlsiege sind schön, können aber auch anstrengend sein. Die eigenen Funktionäre erheben Ansprüche, die Kompromissbereitschaft Richtung Koalitionspartner sinkt. Wenn man, wie Angela Merkel, noch einen Quartalspopulisten wie Horst Seehofer in den eigenen Reihen hat, braucht man eigentlich keine Gegner mehr.
Seehofer hat sein Wort gegeben, dass die Union eisern bei ihrem Nein zu Steuererhöhungen bleiben wird. Das lässt zwei Möglichkeiten zu: Entweder es gibt keine Große Koalition, oder Seehofers Wort ist so viel wert wie eine Stimme für die FDP: nichts. Denn die SPD kann nur Merkel wählen, wenn sie dafür viel bekommt. Nicht Minister, sondern Inhalte.
Dabei stellt sich die SPD bisher recht geschickt an. Den möglichen Koalitionsvertrag von der Basis absegnen zu lassen, ist für Gabriel, Steinmeier & Kraft ein kalkulierbares Risiko. Dass die Genossen mal eben die gesamte Parteispitze in Rente schickt, ist unwahrscheinlich.
Es wäre jedenfalls das erst Mal in 150 Jahren. Dafür ist der Basis-Check ein prima Druckmittel Richtung Merkel. Er ist die Ansage, dass die Union der SPD bei ihren Kernforderungen – höherer Spitzensteuersatz, gesetzlicher Mindestlohn, Mindestrente – in großen Schritten entgegenkommen muss. Oder es wird keine Große Koalition geben.
Es ist viel gerätselt worden, ob Merkel eine verkappte Neoliberale oder verkappte Sozialdemokratin ist. Oder beides. Sicher ist, dass sie Stabilität will. Sie schätzt nicht den Coup, sondern das Absehbare. Also die Große Koalition. Das Problem ist: Die Union ist zu stark dafür. Ihr fehlen nur ein paar Stimmen zur absoluten Mehrheit. Und jetzt soll sie ganz doll nett zu den Sozen sein? „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren“, sagte König Pyrrhus von Epirus, nachdem seine Truppen die Römer geschlagen hatten. Das kann auch Merkels Problem werden.
Leser*innenkommentare
Skeptiker
Gast
Warum wirklich alle meinen, die grosse Koalition sei um so vieles stabiler als eine per Tolerierung abgesicherte Minderheitsregierung bleibt rätselhaft. Wenn Merkel es allein macht, wäre ein Wettbewerb der Ideen möglich und das Zentrum des politischen Diskurses würde sich endlich wieder mehr in das Parlament verlagert, wo es schliesslich sein sollte. Viele Wähler dürften die Art von Demokratie satt haben, die in den Hinterzimmern der Fraktionen gemacht und dann in Talkshows an den Bürger gebracht wird.
Arne
Gast
Tja, wer jetzt BundeskanzlerIn werden will, muss mit den Mehrheiten im Parlament klarkommen. Wenn Merkel das nicht schafft, die sich ebenso mit Neoliberalen wie mit nicht ganz so neoliberalen Sozialdemokraten und sogar mit ihren eigenen Christdemokraten und -sozialen auskkommt wie sie auch ohne Schwierigkeiten in der SED-FDJ Karriere machen konnte, wer soll es dann noch schaffen. Noch mehr vollständige Beliebigkeit wird man schwerlich bei einem Politiker sonst finden können.
Die deutschen Wähler haben noch vier Jahre Merkel verdient.
Viccy
@Arne Wobei von 62 Millionen Wahlberechtigten immerhin 44 Millionen die Frau Merkel *nicht* gewählt haben.
Hetera
Gast
Die taz ist in letzer Zeit mit ihren Artikeln so unerträglich, dass ich mich echt freue, politisch bessere Kräfte in der Regierung zu sehen als diese extrem agiernden Linken. Genauso schlimm wie die rechten. die BürgerInnen haben das bei den Wahlen gut erkannt.
Viccy
@Hetera Was ist jetzt das Problem bei diesem Artikel hier?
Hady Khalil
Vollendete Tatsachen
Schaffen statt monatelanges Machtgeschacher.Viellleicht könnte ja rot rot grün schonmal eine Übergangsregierung bilden und vollendete Tatsachen schaffen, bis sich die CDU-CSU Fraktionsgemeinschaft neu geordnet hat und die SPD dann, wenn noch gewünscht mit der CDU… ins Bett steigt, um dann in der Mitte der Legislatur wieder zurück…. …Als jetzt monatelang die Probleme liegen zu lassen?
Andreas Urstadt
Gast
Das Wort NSA oder Buergerrechte und Datenschutz kam bislang 0 x vor.
Weder von SPD noch Gruenen und kein im Sommer noch ach so kritischer und besorgter TV Moderator hat danach gefragt.
Schoen.
Dann wird die FDP ja wieder gebraucht.
War Murks die Wahl.
Viccy
Aber gewiss nicht die FDP westerwell´scher oder rösler´scher Prägung. Denn womöglich verkauft man ja ein paar Autos weniger nach Drüben, wenn man den Mund aufmacht.
Jedenfalls ein denk- und dankbares Profilierungsfeld für Lindner.
Jens Gustedt
Der Titel ist schon falsch. Frau Merkel hat die Wahl verloren, sie ist abgewählt worden. Ihre Koalition hat weniger Stimmen und Prozente als beim letzten Mal. Und insbesondere hat sie keine Mehrheit. Da muss man eventuel koalieren und Kröten schlucken.
Angemessener wäre eine Minderheitsregierung. Da könnte sie sich ihr Kabinet zusammenstellen wie sie will, und nachher müsste man dann über alle Gesetzesvorhaben öffentlich diskutieren und tragfägige Mehrheiten finden.
Viccy
"Der Deutsche hat es gern einheitlich. Da sollen alle an einem Starng ziehen. Auch, wenn der um den eigenen Hals liegt, gemeinsam sollen sie ziehen..."
(sinngemäß nach Volker Pispers)
frust
Gast
Merkel alleine mit der CDU/CSU regieren lassen;dann bekommt sie demnächst "ihren Tee" allein . Sonst heißt es nachher schon wieder: schuld war die SPD. (Ein starker Bundesrat ist auch was wert). Gegen das "Manöver Merkel" kommt so leicht niemand an.