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Kommentar Schutzhülle in TschernobylAus Schaden wird nicht jeder klug

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Gut, dass es eine neue Schutzhülle für Tschernobyl gibt. Schlecht nur, dass die Gefahren der Atomkraft noch immer vielerorts ignoriert werden.

Die neue Schutzhülle für die Atomruine Tschernobyl Foto: dpa

N atürlich ist es zunächst eine gute Nachricht, dass die Atomruine in Tschernobyl in Zukunft besser geschützt ist. Die neue stählerne Hülle verhindert die Freisetzung von radioaktivem Material und schafft die Voraussetzung für die Demontage des alten Beton-Sarkophags und des havarierten Reaktors. Dass die Weltgemeinschaft mit viel Geld, Expertise und politischem Druck für die Fertigstellung des gewaltigen Bauwerks gesorgt hat, war darum absolut richtig.

Zugleich erinnert der lange Kampf um die neue Schutzhülle aber auch daran, was energiepolitisch bis heute falsch läuft. Es brauchte eine internationale Kooperation, um mehr als 30 Jahre nach dem Super-GAU für über zwei Milliarden Euro einen provisorischen Schutz vor der strahlenden Gefahr zu schaffen. Eine dauerhafte Lösung ist weiter nicht in Sicht.

Das zeigt, wie unbeherrschbar die Atomkraft bis heute ist. Doch die richtigen Konsequenzen wurden daraus nicht überall gezogen. Selbst in der Ukraine, die bis heute unter den Folgen der Katastrophe leidet, ist man nicht aus Schaden klug geworden, sondern setzt noch immer auf die gefährliche Technik.

Die EU sollte im Gegenzug für die weiterhin notwendige Unterstützung zur Bewältigung der Tschernobyl-Folgen darauf dringen, dass die noch laufenden Reaktoren keine Laufzeitverlängerung bekommen, sondern endlich abgeschaltet werden.

Und auch andere Staaten haben aus den riesigen Problemen in der Ukraine nichts gelernt. Dabei ist völlig klar: Wenn ein europäisches Land mit den Folgen einer Reaktorkatastrophe dermaßen überfordert ist, wäre es anderswo mindestens genauso dramatisch.

Doch auch wenn die Gefahren der Atomkraft noch immer vielerorts ignoriert werden, sind ihre Zukunftsaussichten schlecht. Denn angesichts der sinkenden Kosten erneuerbarer Energien sind neue AKWs schlicht nicht mehr wirtschaftlich. Weitere Schutzhüllen bleiben der Welt darum hoffentlich erspart.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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8 Kommentare

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  • Man ist nur nicht klug geworden. Man ist sich der Folgen nicht einmal bewusst. Das Thema kommt in den Medien kaum vor.

  • Denn angesichts der sinkenden Kosten erneuerbarer Energien sind neue AKWs schlicht nicht mehr wirtschaftlich.

     

    ...dann darf man sich fragen, wieso hinkley point im UK auch noch von der EU unterstützt wird

  • Seitdem in der Sperrzone keine Menschen mehr leben, haben sich andere Lebewesen ihr "Paradies" zurück erobert. So gesehen ist das, was in Tschernobyl passiert ist, gar nicht so schlimm und vielleicht sogar fair und gut für die Umwelt. Für einzelne Individuen ist es natürlich eine Katastrophe.

    • @Joseph Tannhuber:

      ach mist, jetzt haben sie mich auch gekriegt...voll abgelenkt! who fucking cares about atomkraft!

    • @Joseph Tannhuber:

      mr. tannhuber, kennen sie eigentlich die geschichte von adolf hitler und der autobahn?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die Atomlobby wird die bestens gespannten Netze nie und nimmer aufgeben. Bei Milliradengewinnen und nahezu ohne wirtschaftliches Risiko wären die aus ihrer Sicht blöd, wenn sie's anders handhaben würden. Die Regierungen sind allesamt (!) korrumpiert und jeder hofft, dass es schon gutgehen wird - zumindest so lange, wie man selbst in Verantwortung ist. Aus genau diesem Grunde sind solche höchst gefährlichen Schrottreaktoren wie Tihange, Fessenheim & Co. weiter in Betrieb. Die Politik schaut zu und hofft. Wenn die Bevölkerungen die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen, werden wir sehr zeitnah zu den Begriffen Tschernobyl und Fukushima den Namen Tihange o.ä. hinzufügen müssen - sofern wir das dann noch können...

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Weitere Schutzhüllen bleiben der Welt darum hoffentlich erspart."

     

    Wohl eher nicht, 65 Atomkraftweke sind im Bau und über 100 geplant...

    http://www.kernenergie.de/kernenergie/themen/kernkraftwerke/kernkraftwerke-weltweit.php https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157767/umfrage/anzahl-der-geplanten-atomkraftwerke-in-verschiedenen-laendern/

  • Was das mal wieder kostet. Atomstrom ist gesellschaftlich unverantwortlich.