Kommentar Schulz' Zukunftsplan: So was wie Grundeinkommen light
Die Bundestagswahl ist noch lange nicht entschieden. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat mit seinem „Chancenkonto“ was im Angebot.
D er Kampf um die Bundestagswahlen war bisher nicht eben von sprühenden Ideen und originellen Innovationen geprägt. Es scheint, als gäben CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP – also alle mit Ausnahme von Linkspartei und AfD – das selbe Versprechen ab: mehr Geld für Familien und weniger Steuern für alle. Dieses Programm variiert zwar in Nuancen, aber wer ist schon geneigt, diese Differenzen durch das Studium langatmiger Wahlprogramme zu entdecken?
Jetzt hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mit seinem „Chancenkonto“ tatsächlich einen Vorschlag gemacht, der der SPD ein Alleinstellungsmerkmal ermöglicht. Die Idee, in der Bundesrepublik lebenden Erwachsenen ein Guthabenkonto zur Weiterbildung und beruflichen Entwicklung einzurichten, macht zudem Sinn – sozial, wirtschaftlich, aber auch für den Einzelnen.
Ein solches Konto könnte die Motivation, Weiterentwicklungen im Berufsleben nicht zu verschlafen, sondern aktiv zu bleiben, erhöhen. Es verspricht mehr Chancengleichheit, weil Arme gleichermaßen profitieren. Und das „Chancenkonto“ eröffnet gerade für weniger Bemittelte die Möglichkeit, bei begrenztem eigenem Risiko etwas Neues zu wagen. Es handelt sich sozusagen um ein Grundeinkommen light – mit dem Unterschied, dass die Kosten berechenbarer sind und die Verwendung des Geldes nicht spontanen Konsumwünschen folgen kann.
Schulz hat nicht gesagt, wie viel sein „Chancenkonto“ kosten wird. Er hat sich auch nicht auf eine Förderungssumme pro Kopf festgelegt. Wer nichts wagen will, wer glaubt, in diesem Land sei doch eigentlich alles in Ordnung, ist also herzlich eingeladen, seine Idee als „unbezahlbar“ oder „utopisch“ abzutun.
Aber warum eigentlich? Natürlich ist Schulz’ „Chancenkonto“ auch Teil seiner Bemühungen, die eigenen Chancen zu erhöhen. Sie derzeit als bescheiden zu bezeichnen ist bereits optimistisch formuliert. Sie sind durch die Randale in Hamburg nicht besser geworden, weil nun mit der inneren Sicherheit ein Thema die Gemüter erregt, bei der Sozialdemokraten gegenüber der Union traditionell keinen Blumentopf gewinnen können. Doch deshalb die Wahl schon für entschieden zu halten, käme einer Beleidigung für die WählerInnen gleich. Die warten auf echte Unterschiede zwischen den Parteien. Schulz hat ihnen ein Angebot gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen