Kommentar Schleswig-Holstein: Merkels Ärger mit Harry
Das rüde Vorgehen des Kieler Ministerpräsidenten könnte SPD-Wähler mobilisieren und Schwarz-Gelb auf Bundesebene verhindern. Das wäre ein Desaster für Merkel.
A us der Perspektive des Kieler Provinzpolitikers war das alles hübsch gedacht. Meine Parteichefin, glaubte wohl Peter Harry Carstensen, will am 27. September die große Koalition in Berlin beenden und mit der FDP regieren. Warum sollte dem schleswig-holsteinischen Premier nicht recht sein, was der Kanzlerin billig ist? Wäre es für Schwarz-Gelb im Bund nicht sogar ein starkes Signal, wenn im Vorfeld bereits eine Landes-CDU aus einem verhassten Bündnis mit der SPD aussteigt?
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Quod licet Iovi, non licet bovi: Man muss nicht das lateinische Sprichwort bemühen, um den Fehler in dieser Rechnung zu erkennen. Wie alarmiert die Berliner Unionsspitze über die Kieler Vorgänge inzwischen ist, ließ Fraktionschef Volker Kauder in einem Interview eher beiläufig erkennen. Er bezweifelte, ob es angesichts der Schieflage der landeseigenen HSH Nordbank noch eine Geschäftsgrundlage für Bonuszahlungen gibt.
Weil SPD-Landeschef Ralf Stegner eben diesen Bonus öffentlich kritisierte, sich also äußerte wie Kauder, hat Carstensen vorige Woche die Koalition für beendet erklärt. Denkt man die Äußerung des Berliner Fraktionschefs zu Ende, entfällt damit auch die Geschäftsgrundlage für den Kieler Koalitionsbruch.
Für den Harmoniewahlkampf der Kanzlerin ist das rüde Vorgehen des Kieler Ministerpräsidenten eine schwere Hypothek. Nicht wegen der Wähler in Schleswig-Holstein selbst, sondern wegen der Ausstrahlung auf den Bund.
Die schroffe Polarisierung im Norden könnte ermattete SPD-Wähler mobilisieren und Merkel-Sympathisanten aus der politischen Mitte abschrecken. Am Ende könnte Carstensen Schwarz-Gelb gerade verhindert haben - wenn schon nicht in Kiel, dann wenigstens in Berlin.
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