Kommentar Sarrazin: Thilo gegen den Rest der Welt
Der Rauswurf Sarrazins aus Bundesbank und SPD wäre eine richtige, symbolische Grenzziehung. Doch entscheidend ist, welches Urteil die Öffentlichkeit über seine Ideen fällt.
T hilo Sarrazin hat es geschafft: Halb Deutschland grübelt, wie man ihn am schnellsten los wird. Die Bundesbankspitze trifft sich zu einer Sondersitzung, das SPD-Präsidium wälzt das Parteiengesetz und will jetzt ein Ausschlussverfahren riskieren.
Das ist vernünftig. Denn Sarrazin wird nur deshalb mit so viel Aufmerksamkeit bedacht, weil er Sozialdemokrat und Bundesbanker ist. Wäre sein Buch von einem der üblichen Verdächtigen aus der islamophoben oder rechtsextremen Ecke verfasst worden, würde kein Hahn danach krähen. Sein Rauswurf aus Bundesbank und SPD wäre daher eine richtige, symbolische Grenzziehung. Wer Ressentiments gegen die Unterschicht schürt und mit Rassethesen hantiert, hat in einer linken Partei oder an der Spitze einer Institution nichts verloren.
So weit, so klar. Allerdings ist offen, ob es so kommt. Die Sache ist aus guten Gründen kompliziert. Parteiausschlussverfahren sind umständlich, außerdem müssen die Urteile vor normalen Gerichten Bestand haben. Der Sinn dieser Prozedur ist es, zu verhindern, dass innerparteiliche Kämpfe per Ausschluss ausgetragen werden. Niemand, der machtpolitisch gerade stört, darf einfach vor die Tür gesetzt werden. Dieses Verfahren ist bürokratisch - aber es schützt die Rechte von Parteimitgliedern vor Willkür. Für den Fall Sarrazin bedeutet dies, dass er wohl nur aus der SPD fliegen wird, wenn man ihm eindeutig Rassismus nachweisen kann. Das wird nicht leicht. Meinungen sind, anders als der Aufruf, andere Parteien zu wählen, deutbar. Und Sarrazin beherrscht das Spiel von Provokation und rhetorischem Rückzug. Entscheidend ist am Ende vielleicht nicht, ob ein Gericht Sarrazins Rauswurf absegnen wird. Entscheidend ist, welches Urteil die Öffentlichkeit über seine Ideen fällt.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.
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