piwik no script img

Kommentar SaarlandBöser Verdacht

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Es gibt den Verdacht, dass Heiko Maas von der Saar-SPD längst mit der CDU-Regierungschefin die neue Koalition ausgemacht hat. Es wäre ein Verrat an der Demokratie.

A ls "komfortabel" wird die Lage gern bezeichnet, in der die Saar-SPD unter Heiko Maas sich nun befindet. Die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU hat ihre Jamaika-Koalition platzen lassen und bittet die SPD zum Gespräch über eine große Koalition. Dort kann Maas Bedingungen stellen - oder eben auf Neuwahlen bestehen. Die Umfragen sehen gut aus für die SPD.

Bei näherem Hinsehen stellt sich allerdings die Frage: Warum sollte sich Maas jetzt überhaupt an einen Tisch mit Kramp-Karrenbauer setzen? Zwei Jahre lang hat die SPD volltönend gegen die saarländische Ausnahmekoalition angekämpft, voller Verbitterung darüber, dass die Grünen sich für Schwarz-Gelb-Grün statt für Rot-Rot-Grün entschieden hatten. Maas ist seit 1999 Oppositionsführer. Gibt es einen guten Grund, warum er nun lieber unter Kramp-Karrenbauer dienen sollte, statt sich den Ministerpräsidentensessel selbst zu holen?

Es gibt einen Verdacht. Demnach haben Maas und Kramp-Karrenbauer längst ausgemacht, wie es läuft: Sie schickt FDP und Grüne nach Haus, aber sie bleibt Chefin. Er bekommt einen "Superminister"-Job, für den mehrere Ministerien fusioniert werden. Das wird dann als Kabinettsverkleinerung verkauft, damit die Bürger erkennen, dass auch die Politiker selbst zum Sparen bereit sind. Neuwahlen finden nicht statt.

Bild: privat
ULRIKE WINKELMANN

ist Co-Leiterin des Inlandressorts der taz.

Maas streitet das natürlich ab. Sollte sich diese so plausible Version jedoch belegen lassen, müsste er sich schwere Vorwürfe anhören. Denn dann hätte er gemeinsam mit Kramp-Karrenbauer die Wähler des Saarlands getäuscht. Er hätte außerdem seine Partei um einen möglichen Wahlsieg gebracht. Maas aktuelle Tour durch die Kreisverbände wären bloß Show, ebenso wie die Sondierungsgespräche mit der CDU.

Eigentlich kann Maas nur eines tun, um den Verdacht loszuwerden, er hätte die Demokratie für einen hübschen Posten verraten: Er muss Neuwahlen verlangen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • A
    Ahrens

    Warum wittert die TAZ-Redakteurin im Saarland Verrat an der Demokratie?

    Die politischen Kräfte sind für eine Legislaturperiode gewählt und müssen aus dem Wählerwillen eine handlungsfähige Regierung formen. CDU/FDP/Grüne sind gescheitert. Jetzt heißt es eben, andere erfolgreichere Koalitionen, die dem Wählerwillen entsprechen, zu finden. Und das geht natürlich nur über Kontakte quer durch die Parteien. Politik ist eben der erfolgreiche Kompromiss, der möglichst vielen gerecht wird.

    Wer jetzt im Saarland Neuwahlen fordert, will dort eine Linkskoalition, denn diese Parteien würden zur Zeit gemäß Sondierungen die besten Wahlchancen haben. Also kann ich der auf dem Bild so sympathischen Redakteurin nur den Rat geben, nicht hinter allem gleich eine Verschwörung zu sehen und sich nicht vor den Karren einer Partei spannen zu lassen. Irre ich mich in der Annahme, dass die TAZ eine überparteiliche Zeitung ist?

  • V
    vic

    Pöstchen waren diesen Leuten schon immer wichtiger als Parteiprogramme. Überzeugungen hat man ohnehin längst abgelegt.

    CDU, SPD, oder beide- who cares. Ich erkenne keinen Unterschied.

  • R
    reblek

    Dass Maas für "rot-rot-grün" gewesen sein soll, kann ich nicht wirklich glauben.

    Und jetzt soll Maas wegen einer Phantasmagorie von Frau Winkelmann auf den warmen Regierungsstuhl verzichten und sich in das Risiko einer Neuwahl begeben - mit dem Ergebnis "rot-rot-grün"?

    Frau Winkelmann hat einen "Verdacht", aber keine Begründung dafür. Das ist ein bisschen schwach.

  • MS
    M. Schweitzer

    Ich hoffe nicht, daß Heiko Maas SPD den Fehler macht,auf Vorschlag der CDU eine Koalitation einzugehen. Da ja jedem bekannt ist,daß unter Führung der CDU so vieles ungerecht unter der Hand lief z.B.trotz leerer Kassen hat man noch zusätztliche Planstellen geschaffen usw.

     

    Ich und meine Bekannten wünschen sich Neuwahlen unter einer neuen Führungskraft der SPD.

  • S
    saarbrücker

    dieser "böse verdacht" ist reine spekulation.

    warum sollte es maas nötig haben, dies zu widerlegen?

    die haushaltspolitische lage im saarland ist sehr kritisch und wir haben keine zeit jetzt ein halbes jahr pause zu machen, damit die parteien neue wahlplakate drucken. es muss jetzt was passieren und die notwendigen entscheidungen traue ich leider weder der fdp, den grünen, noch den linken zu.

  • M
    Mario

    Die CDU wird bei der SPD vorgefühlt haben, wie weit die Gespräche gingen, werden wir nie erfahren. Letztlich setzt die CDU darauf, dass Maas nicht an einem Tisch mit Lafontaine sitzen will. Das ist wohl das Hauptmotiv für die SPD überhaupt mit der CDU zu sprechen. Aber es kann dennoch zu Neuwahlen kommen, denn vieles dürfte im Unklaren bleiben und ein gewisser Frust bei der SPD-Basis könnte zu einem Energieschub für Linken führen - nicht gut für Maas.