Kommentar SPD und Steinbrück: Erst der Peer, dann die Partei
Die SPD hat sich auf ihren Kandidaten für die Bundestagswahl 2013 festgelegt. Vertrauensbildende Maßnahmen gehen anders.
D as gab es seit Konrad Adenauer nicht mehr. Zum 2. Mal in Folge steht schon vor der Bundestagswahl fest, wen die Deutschen ins Bundeskanzleramt wählen. Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet eine Frau aus Ostdeutschland sein würde, der das gelingt. Chapeau, Frau Merkel.
Mit der Nominierung von Peer Steinbrück als SPD-Frontmann steht fest: Die SPD akzeptiert, dass sie es im kommenden Jahr maximal zum Vize-Kanzler schafft. Größere Visionen gibt es nicht. Und so entspricht es der Verfasstheit der Partei, dass die einzige wirkliche Zukunftshoffnung Hannelore Kraft nicht in einem aussichtslosen Kampf verbrannt werden soll. So weit so plausibel.
Überhaupt nicht einleuchtend hingegend ist der Zeitpunkt der Verkündung. Monatelang beharrte die Partei darauf, am 24. November erst das Programm und dann den Kandidaten vorzustellen. Basta. Und nun das. Getrieben durch Medienberichte kürt sie am Freitag ihren Spitzenmann. So präsentiert sich keine Partei, die eine überlegte und ausgeruhte Strategie verfolgt, an der sie auch in stürmischen Zeiten festhält. Vertrauensbildende Maßnahmen gehen anders.
Die Botschaft, die die SPD mit dem redegewandten 65-Jährigen vermittelt werden soll, ist klar: Steinbrück kann Krise. Zwar musste er sich die gute Idee mit Merkel teilen, den BürgerInnen im Herbst 2008 zu verkünden, dass die Spareinlagen sicher sind. Aber das Bild ist tief im kollektiven Gedächtnis verhaftet: Der Mann kann mit Merkel auf Augenhöhe Antworten auf die Ängste der Bevölkerung finden.
Und von dieser Zuschreibung will die SPD im kommenden Wahlkampfjahr, das natürlich von der Rhetorik der Krisenbewältigung dominiert sein wird, profitieren. Mit Peer Steinbrück implementiert sie jedoch einen Mann, der wie Gerhard Schröder seiner Verachtung der eigenen Partei gegenüber freien Lauf lässt. „Wir heulen, wir klagen, wir gucken verkniffen“, schrieb Steinbrück seinen Genossen ins Parteibuch.
Auch motivierende Wertschätzung geht anders. Wer sich einen solchen Mann an die Spitze stellt, muss von einiger Selbstverachtung durchdrungen sein. Deutlicher kann man nicht zeigen: Bei mir kommt erst der Peer, und dann die Partei. Mit einigem Abstand dazwischen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens