Kandidatenkür der SPD: Der Wahlkampf beginnt
Peer Steinbrück setzt auf Witz. Im Detail aber bleibt der frisch nominierte Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten vorerst lieber etwas vage.
BERLIN taz | Auf das brisanteste anstehende Sozialthema, die Rentenfrage, ging der Bewerber nicht ein. Ansonsten aber versprach der frisch nominierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Montag einen „spannenden Wahlkampf“, in dem er „Witz“ und „gute Bilder“ einsetzen werde.
Steinbrück war zuvor vom SPD-Parteivorstand einstimmig zum Kandidaten für die Bundestagswahl 2013 und damit zum Herausforderer Angela Merkels nominiert worden. Am 9. Dezember wird der 65-Jährige auf einem SPD-Sonderparteitag in Hannover endgültig gekürt. Als Schwerpunktthemen des Wahlkampfes nannte SPD-Chef Sigmar Gabriel soziale Gerechtigkeit und die Finanzmarktregulierung.
Dabei sprach sich Steinbrück besonders für einen gesetzlichen Mindestlohn und den Kampf gegen die „Erwerbsarmut“ aus. Die „soziale Marktwirtschaft“ müsse in Deutschland „wieder einkehren“. Es sei wichtig, die Stärkeren wieder mehr zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen, vor allem der Bildung, erklärte Steinbrück.
Im SPD-Wartesaal vorbeischauen
Der Politiker kritisierte Merkels Management der Eurokrise. Die Konzentration auf die Staatsverschuldungen träfen das Problem nicht, sagte Steinbrück. Die Krise habe maßgeblich mit der Situation von „maroden Banken“ zu tun. Man müsse mit Blick auf die Bankenregulierung „ehrgeiziger operieren“ als bisher. Steinbrück hatte kürzlich Vorschläge präsentiert, nach denen sich die Geldinstitute besser vor Finanzkrisen schützen sollen. Er warf Merkel nun vor, die SPD in sozialpolitischen Fragen vermeintlich „links überholen“ zu wollen. Das werde die SPD nicht durchgehen lassen.
Im Wahlkampf wolle er nicht nur die „Kernwählerschaft“ der SPD gewinnen, sondern auch diejenigen, die im „SPD-Wartesaal sitzen“, sowie „enttäuschte Wähler“ der schwarz-gelben Regierung. Steinbrück gilt allerdings als einer der Architekten der von der rot-grünen Schröder-Regierung durchgesetzten Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen, die die SPD viele Wählerstimmen kostete.
In der parteiintern strittigen Frage des Rentenniveaus beschloss die SPD unterdessen, einen Arbeitskreis einzurichten, um eine Lösung zu finden. Derzeit ist geplant, das Rentenniveau von 50 Prozent des Nettolohnes auf rund 43 Prozent im Jahre 2030 zu senken. „Wir sollten nicht unter 50 Prozent gehen“, sagte die SPD-Linke Hilde Mattheis der taz.
Leser*innenkommentare
Juergen K.
Gast
Er wird für die SPD 115% holen.
axel
Gast
Mit Steinbrück verabschiedet sich die SPD von der Machtoption den Bundeskanzler zu stellen - von ihrer ehemals sozialdemokratischen Wählerschaft hat sie sich mit der auf SPD und Grünen Mist gewachsenen Agenda- und Hartz-4-Politik (mitsamt ihrer Umverteilungs- und Verarmungsresultate)schon lange verabschiedet.
Und der sog. SPD-Linken und den Jusos fallen nur kosmetische Ergänzungen, Wünsche und Hoffnungen ein.
Was bleibt ist die Junior-Option in CDU-SPD-Regierung und weiterer Sozial- und Bildungsabbau...
kroete
Gast
Am Lachen erkennt man den Narren, heißt es. Stimmt, ein Kanzlerkandidat, der mit der Agenda 2010 Hochverrat an sozialdemokratischen Grundfesten begangen hat, ist nur mit viel Humor zu ertragen.
Glaubwürdigkeit hat er, allerdings nur im Negativen, logisch, daß er seine Netze zum Stimmenfang in trüben Gewässern auswerfen muß, echte Sozis nicht mehr wählen oder Grüne und Linke, bleibt eine SPD dieser Verfassung keine Alternative.
Gunter
Gast
Der Sozi der keiner ist, sondern an Hartz IV munter mitgewerkelt hat wird feststellen müssen das ihn kleine Leute nicht wählen werden, weil sie den Schlag ins Gesicht des einfachen Arbeiters niemals vergessen werden. Also wieder und wieder Merkel, die sich auch einen Dreck um arme Bevölkerungsschichten schert.
Deutschland kann froh sein das die Leute hier so brav sind, sonst würde ihnen der soziale Sprengstoff schon längst um die Ohren geflogen sein! Doch was nicht ist und nicht korregiert wird, kann dennoch als hoher unkalkulierbarer Erwartungswert angesehen werden und niemand der das Unheil erkennt und gegenzusteuern vermag !!! Es wäre nicht das erste Mal das eine deutsche Demokratie genau daran scheitert.
Volker Birk
Gast
Peer Steinbrück ist nicht nur "Architekt" des Agenda-Sozialabbaus der "S"PD, er ist auch der "Retter" der Hypo-Real-Estate.
Der typische Seeheimer eben, der nächste "Genosse der Bosse".
Harald
Gast
Das ganze Land wird wieder mit nichts sagenden Wahlplakaten zugepflastert. Und da nach der Wahl mit Einsparungen im Sozialbereich zu rechnen ist, müssen nun die rot-grünen Politik-Marionetten in die Machtsessel gehievt werden.
Ändern wird sich nur etwas wenn wir alle nicht Wählen!
Weinberg
Gast
SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück bleibt wage - im Gegensatz zu Jakob Augstein, der in seiner SPON-Kolumne Klartext spricht (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-spd-kanzlerkandidat-steinbrueck-a-858877.html)
Dirk Berleicik
Gast
"setzt auf Witz"?
Steinbrück hat eine dreistellige Milliardensumme für den Steuerzahler mit seinen Zockereien mit WestLB, Commerzbank und HRE in den Sand gesetzt.
Noch nicht komisch genug?
Steinbrück hat in seinem Amt als Finanzminister dubioseste Sponsoring-Empfehlungen gegeben.
Lustig?
Dann wenigstens, dass er einige Tage (!) nach seinem Ende als Finanzminster unter dubiosen Umständen zu Thyssenkrupp wechselte.
Reicht auch nicht?
Dass er von Anfang an Gelder an Griechenland verschieben wollte, damit diese die Schulden bei Thyssenkrupp (U-Boote) bezahlen?
Auch nicht komisch?
Es gibt noch viel, viel mehr Stories zu Steinbrück.
Lachhaft ist nur, dass er noch ein "freier Mann" ist.
Celsus
Gast
Angesichts des nicht nur bei den renten angestrebten Sozialabbaus gehe ich schon jetzt davon aus, dass die SPD nicht ernsthaft Steuern auch nur in früher mal vorhandener Höhe wieder einnehmen will. Nur dann wären die Steuern nötig, um Schulden abzubauen oder Sozialleistungen zu erbringen.
Lässt sich ein derartiger Sachverhalt auch vom Kandidaten in einen Witz verpacken?
Wie wäre es damit: "Stell Dir den barmherzigen Samariter vor und er geht vorbei?"
Na gut. Nicht so witzig. Soll er sich dann noch Samariter oder sozial nennen? Am Ende lacht das Wahlvolk nur, wenn die SPD mit solchen Bestrebungen mal wieder bei 23 % landet oder es noch untertrifft.