Kommentar SPD nach Leipzig: No risk, no fun
Sigmar Gabriel jongliert mit der SPD-Basis und der Union in den Koalitionsverhandlungen. Bislang sind noch alle Bälle in der Luft.
D ie SPD bekommt derzeit viele gute Ratschläge. Sie solle sich gefälligst nicht so anstellen und, anstatt zickig ihre Parteispitze mit miesen Wahlergebnissen zu strafen, glücklich sein, dass sie mal wieder regieren darf. Dieser Rat verströmt einen altdeutschen, autoritären Muffgeruch. Demokratie ja – aber bitte ohne diese lästigen Parteien.
Auf der anderen Seite heißt es, die SPD solle besser prinzipiell Nein zur Großen Koalition sagen. Das klingt sympathisch, ist aber letztlich unpolitische Linksfolklore. Denn die realpolitischen Alternativen sind recht düster. Wäre die Neuwahl wirklich besser als ein Koalitionsvertrag, der drei, vier SPD-Kernforderungen enthält?
Die SPD verhält sich, zum Teil jedenfalls, rational. Die Wahlergebnisse für Sigmar Gabriel & Co waren in Leipzig keineswegs spektakulär schlecht, sondern abgewogen, realistisch. Besorgniserregend wäre jedenfalls eher eine Partei, die nach dem Scheitern am 22. September der Führung fröhlich einen Freifahrtschein ausstellt.
Bis jetzt funktioniert Gabriels Strategie. Er gleicht einem, der mehrere Bälle in der Luft hält. Wenn es gut geht, bringt er, mit der missgestimmten SPD-Basis als Druckmittel, die Union bei der doppelten Staatsangehörigkeit, Mindestlohn und gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit zu sehr weitem Entgegenkommen. Das sind keine Peanuts, sondern Richtungsentscheidungen und überfällige Modernisierungen.
Das Restrisiko
Wenn Sigmar Gabriel der SPD-Basis genug Erfolge präsentieren kann, die nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen, sind die Chancen gut, dass die Genossinnen und Genossen mit Ja stimmen.
Es bleibt ein Restrisiko. Aber ohne jede Gefahr wäre dies keine Mitgliederbefragung, sondern reine Demokratiesimulation. No risk, no fun. Wie es aussieht, ist Gabriel ein talentierter Jongleur.
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