Kommentar SPD-Agrarpolitik: Kein Gedöns!
Brandenburgs Bauernpräsident Udo Folgart befürwortet Gentechnik und Massentierhaltung. Was hat bloß die SPD geritten, ihn in ihr Schattenkabinett zu berufen?
Was um Himmels willen hat die SPD geritten, als sie Udo Folgart als Landwirtschaftsminister in Steinmeiers Schattenkabinett berief? Er befürwortet Gentechnik und Massentierhaltung - und schlägt sich damit ganz offiziell auf die Seite der Agrarindustrie. In seinem Politikfeld hat er die wesentlichen Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre also fest verschlafen.
Nicht mal mehr im Bauernverband werden seine Positionen uneingeschränkt geteilt. Stabile 70 Prozent der Bevölkerung und eine wachsende Anzahl von Bauern wollen keine Gentechnik auf dem Acker. Und überall, wo sich die angeblich effizienten Tierfabriken mit tausenden von Tieren ansiedeln wollen, geht die Bevölkerung auf die Barrikaden, sobald die ökologischen und ökonomischen Folgen sichtbar werden. Massentierhaltung verschmutzt nicht nur Wasser und Luft, sondern treibt die Landwirte auch in einen ruinösen Wettbewerb. Die großen Agrarbetriebe im Osten - für Folgart Vorbilder - hängen allesamt am Tropf der EU-Agrarsubventionen.
Offensichtlich kalkuliert die SPD, dass sie das Landwirtschaftsministerium sowieso nicht übernehmen muss, egal in welcher Art von Koalition sie regiert. Trotzdem richtet sie mit der Personalie des brandenburgischen Bauernpräsidenten Folgart immensen Schaden an. Denn grob unterschätzt sie ein wichtiges Thema. Welche Durchschlagskraft gerade die Gentechnik entfalten kann, hat in diesem Frühjahr die CSU erfahren. Quer durch alle Schichten, Altersgruppen und Parteienpräferenzen organisierte sich die Bevölkerung gegen diese Technologie. Ministerpräsident Horst Seehofer wurde das vor den Europawahlen so unheimlich, dass er seiner Partei samt Bundesagrarministerin Ilse Aigner eine Kehrtwende um 180 Grad verordnete. Aigner verbot den Anbau des Genmaises MON 810, die CSU gibt sich heute genkritisch. Sie hat verstanden, dass Ernährung, Umwelt- und Verbraucherschutz den Wählern wichtig und längst kein Gedöns mehr sind.
Angeblich will die SPD das Land mit einer ökologischen Industriepolitik aus der Krise führen. Ohne eine zukunftsorientierte - und das heißt: ökologische, am Verbraucher orientierte Landwirtschaftspolitik ist dieses Ziel nicht zu erreichen. Dass die SPD das nicht erkannt hat, gewährt einen unangenehm tiefen Einblick in ihre intellektuellen und personellen Ressourcen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte über Verbot von Privat-Feuerwerk
Schluss mit dem Böllerterror
Jens Spahn
Da bringt sich einer in Stellung
Mögliches Ende des Ukrainekriegs
Frieden könnte machbar sein
Spendenrekord im Wahlkampf
CDU bekommt fast zehnmal so viele Großspenden wie SPD
Vor der Bundestagswahl
Links liegen gelassen
Wahlprogramm von CDU/CSU
Von wegen Maß und Mitte