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Kommentar Russlands Anti-TerrorpolitikPutins Rehabilitationskurs

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Der Kreml-Chef darf sich sicher sein: Leistet er seinen Teil in Syrien, wird man ihn aus der Isolation entlassen. Europas Rechte freut sich.

Präsident Putin bei einer russischen Militärkonferenz in Syrien. Foto: ap

L etzte Woche war Kremlchef Putin noch ein Geächteter. Am Montag wurde er zum Verbündeten Frankreichs im Kampf gegen den Terror. Eine Metamorphose, die Putin den Attentätern von Paris zu verdanken hat. Moskau ließ nichts anbrennen und mobilisierte noch am selben Tag sein Waffenarsenal gegen die Hochburg des IS in Rakka.

Es flog mit doppelter Frequenz und schickte seegestützte Marschflugkörper. Wohl das erste Mal wurde den Milizen vom Kreml wirklich eingeheizt. Bislang verschonte er den Gegner eher. Dieser war eher vorgeschoben für die Propaganda an der Heimatfront. Auch als Attentäter den Airbus über dem Sinai sprengten, verschwieg Putin den IS. Bis gestern, als sich aus europäischer Verteidigungsnot für Moskau eine Möglichkeit zur Kooperation bot.

Als hätte Putin einen direkten Draht nach oben. Seine außenpolitische Fortune ist schwindelerregend. Über Nacht wurde aus Assads Bomber, der zigtausende Syrer auf die Flucht nach Europa jagte, ein respektabler Teil der westlichen Opfergemeinschaft. Der Anstand vor dem russischen Blutzoll über dem Sinai gebietet es sogar, dies nicht infrage zu stellen.

Wladimir Putin darf sicher sein: Leistet er seinen Teil in Syrien, wird man ihn auch aus der Isolation entlassen. Ukraine hin oder her. Putins Versteher im Westen stehen schon in Klatschpose bereit. Am Ende wird ihm noch die Rettung der abendländischen Zivilisation gutgeschrieben, was bislang nur die Hofschreiber des Kreml wagten.

Dies bedeutet jedoch, Russland wird über Assad nicht mehr verhandeln. Auch dessen Rettung kann sich der Kremlchef dann ans Revers heften. Was für eine starke Botschaft an die verunsicherten europäischen Gesellschaften. Marine Le Pen reibt sich schon die Hände. Doch damit nicht genug. Ungeahnt tut sich mit der Zusammenarbeit auch eine Chance auf, das transatlantische Verhältnis noch zu trüben. Das wird sich Russland nicht entgehen lassen.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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6 Kommentare

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  • Zuerst ist es wichtig, wie es zu einem Volksaufstand in Syrien kam.

    Dann wer die Oppositionellen sind.

    Drittens: wie wird Putin besiegt?

  • "...Assads Bomber, der zigtausende Syrer auf die Flucht nach Europa jagte..."

     

    Wohl kaum. Der Flüchtlingsstrom setzte Monate vor dem russischen Eingreifen ein. Die Flüchtlinge kamen hauptsächlich aus türkischen Lagern.

     

    Der syrische UN-Botschafter meldete am Montag, daß seit dem Beginn der militärischen Zusammenarbeit Syriens und Russlands ca 1 Million syrischer Binnenflüchtlinge in ihre von Terroristen befreiten Dörfer und Städte zurückgekehrt sind.

    • 6G
      6175 (Profil gelöscht)
      @jhwh:

      Vollkommen richtig, JHWH. Aber wen wundert das noch bei Herrn Donath, wenn Sie mal lesen, was er 2005 und dann wieder 2013f zur Ukraine einseitig schrieb, oder wie er Saakaschwili zum Edlen erklärte, und 2008 in der taz forderte, Georgien müsse sofort in die NATO. Samstag kam im DLF ein Kommentar, wir alle schüttelten nur den Kopf, und dann wurde gesagt, es kommentierte Klaus Helge Donath. Das ist keine Kritik an Russland, die selbstverständlich genauso wichtig ist wie Kritik an unseren Kriegen, die Terror mitermöglichen. Das ist erwiesenermaßen oft falsch. Klaus Helge Donath ist einseitig und hat sich seit langem verrannt.

    • @jhwh:

      Verstehe ich das richtig: Assads Sprachrohr bei der UN erklärt, dass der weltpolitisch bedeutendste Verbündete Assads alles voll supi macht mit seinen Bombern? Sie sehen mich schwer beeindruckt von diesem Argument.

       

      Der Artikel behauptet zudem auch nicht, dass die russischen Bombardements den allgemeinen Flüchtlingsstrom aus Syrien ausgelöst hätten.

  • Wenn Putin etwas richtig macht, bekommt er dafür die Blumen. Soweit ist das nur folgerichtig und wichtig, denn nur dadurch können wir für gute Politik werben. Warum Europas Rechte deswegen frohlocken sollte, ist jedoch nicht klar. Europas Rechte ist in der Ukraine gar nicht Putin-freundlich eingestellt und traditionell waren "Putin-Versteher" eher bei den Linken lokalisiert worden. Dass nicht nur die Linken sondern auch die Rechten der US-Hegemonie kritisch gegenüber stehen, macht die Rechten noch lange nicht zu Putin-Freunden. Selbst wenn eine berechtigte Kritik auch von rechten Strömungen aufgegriffen wird, verliert sie dadurch nicht ihre Berechtigung. So kokettieren z.B. die Rechten in der Schweiz, Österreich oder Südtirol mit dem Thema Umweltschutz. Das machen sie, weil das Thema positiv besetzt ist und nicht so viele Konflikte mit ihrer sonstigen Ideologie aufweist. Deswegen ist jedoch das ökologische Anliegen nach wie vor berechtigt und die Grünen sind nicht deswegen "rechts" weil die Rechten eine Forderung der Grünen ebenfalls aufgegriffen haben.

    • @Velofisch:

      Selbstverständlich ist Putin für große Teile der politischen Rechten in Westeuropa Hoffnungsträger und Lichtgestalt. Es wäre auch sehr verwunderlich wenn nicht, finden die Rechten doch ihre Visionen für die jeweils eigenen Länder in Russland bereits verwirklicht:

      Nationalistischer Chauvinismus als Staatsräson, eine patriarchale und autoritäre Gesellschaftsordnung, stetig wachsender Einfluss der (extrem konservativen) Kirche, staatlich verordnete Homophobie, ein Maulkorb für die Opposition und ein starker, von Wahlen kaum behelligter, Führer, der über all dem wacht. Die Liste ließe sich weiter verlängern.

       

      Was mir nicht in den Kopf geht, ist, warum sich auch so viele Linke noch immer nicht von Putin abwenden mögen. Denn abgesehen davon, dass Putin ebenfalls die Amis doof findet, hat der heutige russische Staat nichts, aber auch wirklich gar nichts, mit irgendwelchen linken Idealen, einschließlich denen des gründlich gescheiterten Sowjetsozialismus‘, gemein.