Kommentar Rüstungsexportbericht: Deutsche Waffen für Diktatoren
Man kann den Rüstungsexportbericht für 2010 wohlwollend deuten: Deutschland schließt immer weniger Verträge für Rüstungsexporte ab. Aber das täuscht.
E ine Statistik mit vielen Unterkategorien ist für die PR-Abteilung jeder Regierung eine feine Sache. Denn sie kann sich die Zahlen aussuchen, die das gewünschte Ergebnis belegen - schon sind alle glücklich. Besonders verbreitet ist solches Herangehen bei sensiblen Themen. Etwa wenn das Wirtschaftsinteresse wichtiger ist als politische Moral. Wie beim Rüstungsexportbericht.
Die wohlwollende Deutung des Berichts für 2010 sieht so aus: Deutschland schließt immer weniger Rüstungsexportverträge ab. Die Ausfuhren des Kalenderjahres haben zwar um die Hälfte zugenommen, aber ein großer Teil davon entfiel auf Nato-Staaten. Zudem ging nur jede 20. Ausfuhr in ein Entwicklungsland. Das klingt gut.
Betrachtet man die Sache jedoch genauer, dann steht Deutschland in einem ganz anderen Licht da. Dann nehmen die Kriegswaffenexporte in Nicht-Nato-Staaten sprunghaft zu. Und das Geschäft mit besonders problematischen, weil unkontrollierbaren Kleinwaffen wächst. Etwa mit Ländern wie Saudi-Arabien und Mexiko.
ist Parlamentskorrespondent der taz.
Deutschland stilisiert sich international gern als Friedensengel. Als ein Land, das stabilisierend wirkt und für das Krieg äußerstes Mittel der Politik ist. Parallel jedoch werden totalitäre Gesellschaften und kriminelle Banden mit deutschen Waffen ausgerüstet. An der deutschen Öffentlichkeit vorbei, beschönigt durch verbogene Statistiken. Was die Angaben der Bundesregierung wert sind, zeigte sich vor wenigen Wochen, als herauskam, dass Waffen der Rüstungsfirma Heckler und Koch in Libyen eingesetzt wurden - mitten im tobenden Bürgerkrieg.
Waffenexporte sind schwer kontrollierbar. Das weiß die Bundesregierung. Und sie will es auch nicht anders. Deshalb werden die Rüstungsdeals ja im Bundessicherheitsrat verhandelt, wo keine parlamentarische Kontrolle stattfindet. Gedeckt durch ein der Verschwiegenheit verpflichtetes Gremium, kann die Regierung machen, was sie will. Und das ist im Zweifel das, was heimischen Waffenproduzenten guttut.
Der deutsche Rüstungsexportbericht ist mehr als eine Ansammlung von Zahlen. Er zeigt, dass die Bundesregierung duldet, dass in Diktaturen mit deutschen Waffen Menschen getötet werden. Dass deutsche Waffen Bürgerkriege möglich machen. Das steht nicht in der Statistik. Aber es lässt sich auch nicht mit geschönten Zahlen vertuschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind