Kommentar Rüstungsexportbericht: Kleine Schritte, unklare Richtung
Sigmar Gabriel hat die Moral in die Debatte um die deutschen Rüstungsexporte geholt. Tatsächlich merkt man noch nicht viel davon.
I m Sommer gab es einen Alarmruf der deutschen Rüstungsindustrie: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mache Ernst mit seinem Wahlkampfversprechen, die deutschen Waffenexporte zu drosseln. Wenn man sich nun den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für die ersten sechs Monate 2014 vor Augen führt, bleibt nur der Schluss: Die deutsche Waffenindustrie versteht sich auf den Slogan „Lerne klagen, ohne zu leiden“. Genehmigt wurden Exporte für mehr als zwei Milliarden Euro. Fast 99 Prozent aller Anträge wurden durchgewunken. Business as usual.
Es stimmt: Es gibt in dem Rüstungsexportbericht auch ein paar Anzeichen für zaghafte Verbesserungen. So sind nur noch halb so viele Kleinwaffen, die in den globalen Bürgerkriegen besonders fatale Wirkungen zeitigen, ins Ausland verkauft worden – für rund 20 Millionen Euro. Auch dass Gabriel die schon genehmigte Ausfuhr eines Gefechtsübungszentrums nach Russland auf Eis legte, war ein erfreuliches Signal Richtung Moralisierung der deutschen Waffenexportpraxis.
Müssen wir nicht also mehr Geduld haben und in Rechnung stellen, dass strukturelle Veränderung nicht per Reißschwenk geht? An der Rüstungsindustrie hängen etwa 300.000 meist gut bezahlte Jobs und ordentliche Profite. Um da etwas auszurichten, reichen gute Absichten und evangelische Rhetorik bei weitem nicht aus.
Was skeptisch stimmt, ist, dass auch in der Ära Gabriel sehr, sehr viele Waffen in Nicht-Nato-Staaten geliefert werden. So bekommt Algerien eine 70 Millionen Euro teure Fabrik für Panzer, die sich besonders für die Niederschlagung von Aufständen eignen. Moralisierung der Rüstungsexportpolitik? Warum gibt es kein Exportverbot für Kleinwaffen? Die Schritte, die Gabriel macht, sind so klein, dass kaum erkennbar ist, wohin er will.
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