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Kommentar Rücktritt des InnensenatorsNotstandsgebiet namens Neumann

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Innensenator Michael Neumann tritt zurück. Das hatte ihm Sozialsenator Detlef Scheele vorgemacht. Es wird einsam um Alleinherrscher Olaf Scholz.

Ist nach dem Olympia-Aus amtsmüde: Michael Neumann (SPD) Foto: dpa

t az Als vor ein paar Wochen Gerüchte die Runde machten, Hamburgs Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) wolle zurücktreten, wehrte sich der Reserveoffizier ein letztes Mal tapfer. Jetzt ist es vorbei. Überraschend ist das nicht: Spätestens seit dem Nein der Hamburger zur Olympia-Bewerbung ist er amtsmüde. Neumann hat das persönlich genommen, war von der Klatsche sichtlich geschockt – und zieht mit seinem Rücktritt nun die Konsequenz.

Dass ihm durch diesen Tiefschlag vom Volk die Freude am Regieren abhanden gekommen ist, kann man durchaus verstehen. Denn vergnügungssteuerpflichtig ist das unter Olaf Scholz ohnehin nicht: Alle wichtigen Entscheidungen sind Chefsache, auch in Detailfragen aus den Ressorts arbeitet der Bürgermeister sich tief ein – und seine Senatoren müssen dann öffentlich dafür geradestehen und gegebenenfalls die Prügel einstecken.

Davon gab es für Neumann reichlich: Seine Polizei heizte vor einem Jahr den Konflikt um die Rote Flora unnötig an, indem sie blindlings in eine Großdemonstration knüppelte. Ein paar Wochen später düpierte die zweite Reihe der Polizeiführung ihren Senator: Hinter dem Rücken des Polizeichefs ernannte sie ganz St. Pauli zum „Gefahrengebiet“, mit der Verfolgung des Besitzes von Klobürsten machte sich Hamburg weltweit zum Gespött. Der Grund: Angeblich hatte es einen Angriff auf die Davidwache an der Reeperbahn gegeben. Vor ein paar Wochen stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen klammheimlich ein.

Und das ganze vergangene Jahr hindurch musste Neumann immer wieder peinliche illegale Praktiken von verdeckten Ermittlerinnen in der linken Szene einräumen. Dass die Innenbehörde ihre eigene, rechtlich bedenkliche Datei auffälliger Fußballfans zwar führte, aber deren Existenz bis vor ein paar Tagen bestritt, nimmt man da schon fast mit einem Achselzucken zur Kenntnis.

Spätestens seit dem Nein zur Olympia-Bewerbung ist Neumann amtsmüde

Zum Notstandsgebiet ist Neumanns Amt aber erst seit der Fluchtbewegung im vorigen Herbst geworden: Die Behörde ist schon mit der Registrierung der Flüchtlinge vollkommen überfordert; was sie sich bei der Unterbringung der neu Angekommenen leistet, spottet jeder Beschreibung: verschimmelte Zelte mitten im Winter, leere Baumärkte ohne Betten und funktionierende Duschen – und der Sportsenator ist nicht in der Lage, mal eine Sporthalle aufzumachen.

Dieses Versagen hat auch in der ebenfalls beteiligten Sozialbehörde für Verärgerung gesorgt. Deren Chef Detlef Scheele hat es Neumann vorgemacht und schon im Herbst seinen Hut genommen. Langsam wird es einsam um Alleinherrscher Olaf Scholz.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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2 Kommentare

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  • Immerhin war es Neumännchen himself, der bei einer Sondersitzung des Innenausschusses Anfang 2014 sagte, eigentlich gäbe es "gar kein politisches Problem in Hamburg". Das war drei Tage nachdem die ihm unterstellte Polizei im Handstreich zwei komplette Stadtteile mit über 80.000 Einwohnern kriminalisiert und per Ausweisung zum "Gefahrengebiet" unter Generalverdacht bis auf weiteres gestellt hatte.

     

    Seiner Meinung nach könne es sich daher bei den Demonstranten auch nur um "gewöhnliche Kriminelle, Störer und Krawallmacher" handeln. Sofort wurden Rufe der Opposition und der lokalen Medien nach einer schärferen Gangart und schnellerer Bestrafung gegen die linksalternative Szene auf dem Kiez laut.

     

    Neumann, selbst Soldat, sah die Arbeit der eigenen Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden mit viel zu unkritischen Augen, obwohl Schills Ungeist dort gleich einem blumenkohlartigen Geschwür täglich neue Knospen treibt.

     

    Man darf gespannt bleiben, ob es wohl Nachfolger Grote gelingen wird, die nun ihm unterstellten leitenden Beamten in zäher Auseinandersetzung auf rechtsstaatliches Handeln zu verpflichten, oder ob er sie nicht besser gleich in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen hat.

  • Olaf Scholz wird das nicht sonderlich treffen, letztlich muss Scholz die Jung-Rechten aus der ehemaligen Juso-Connection ja regierungsfähig machen und das ist ihm mit Neumann nicht gelungen. Zu dämmlich sind die vielen Flops, allein das Gefahrengebiet war unterirdisch und bezog sich auf eine fiktive Bedrohung. Weltweit dachten Journalisten, in Hamburg tobe eine Art Bürgerkrieg. Und überhaupt die Polizei - ihr stand Neumann nominell vor, tatsächlich macht sie, was sie will. Über Jahre hat man einseitig rekrutiert, es herrscht agressive Konkurrenz und zugleich Chorgeist, es wird gemobbt und getrickts. Neumann hatte vielleicht auch gute Seiten, aber seine Law-and-Order-Orientierung hat ihn auf diesen schiefen Weg gebracht. Das Nein zur Olympia war allerdings nicht sein Verdienst oder seine Niederlage - das hängt tatsächlich mit dem Niedergang an Projektkompetenz in Hamburg zusammen. Hamburg schafft solche Aufgaben nicht - der Bürger wußte es und zog die Notbremse, die Scholz ihm in die Hand gedrückt hat. Also, ich werde Neumann nicht vermissen.