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Kommentar Rot-Grün in NRWFalsch, forsch und gefakt

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die forsche Art, mit der Rot-Grün als Modell wiedergeboren wird, irritiert. War da nicht was? Bis heute fehlt, vor allem von den Grünen, eine selbstkritische Reflexion der Schröder/Fischer Ära.

A utosuggestion kann in der Politik hilfreich sein. Der Erfolg der FDP in den letzten Jahren verdankte sich unter anderem Westerwelles störrischem Beharren auf seiner Linie. Auch den Aufstieg der Linkspartei im Westen beförderte ein unirritierbarer Glaube an das eigene Projekt. Bei Grünen und Sozialdemokraten in NRW ist nun eine Art rot-grüne Euphorie ausgebrochen, die auch hypnotische Züge trägt. Eine Mehrheit für Rot-Grün, so die Ansage, ist möglich, einfach weil es so sein muss. Das Chaos, das Schwarz-Gelb in Berlin anrichtet, ist ja in der Tat enorm. Was liegt also näher, als in NRW mit Volldampf einen Lagerwahlkampf zu inszenieren - so wie 2002 und 2005 im Bund?

Misstrauisch macht, dass Rot-Grün abrupt zum Wahlkampfstart ausgerufen wird; bis dahin war es überaus still um Rot-Grün gewesen. Die rot-grüne Inszenierung nun dient vor allem dazu, die Linkspartei im Mai unter 5 Prozent zu drücken. Und hinter diesem arg durchschaubaren Manöver steckt die ebenso zähe wie unrealistische Fantasie der SPD, die Linkspartei zerstören zu können.

Außerdem hat dieser Lagerwahlkampf einen entscheidenden Webfehler: Es mangelt an klaren Grenzen. Die Grünen rüsten sich innerlich schon seit Monaten für Schwarz-Grün in Düsseldorf, die SPD hält sich die große Koalition mit Rüttgers zumindest offen. So werden wir in NRW das Spektakel eines gefakten Richtungswahl erleben.

Außerdem irritiert die forsche Art, mit der Rot-Grün als Modell wiedergeboren wird. War da nicht was? Ist Rot-Grün 2005 im Bund nicht an sich selbst und der eigenen Ideenarmut verendet? Gab es nicht groß angelegte Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen und massiven Druck auf Arme? Bis heute fehlt, vor allem von den Grünen, eine selbstkritische Reflexion der Schröder/Fischer Ära.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • FJ
    Franz Josef Neffe

    Was wissen bei uns schon Politiker (und Redakteure) von AUTOSUGGESTION? Sie alle versuchen permanent, alles mit ihrem (begrenzten) BEWUSSTEN Verstand zu tricksen. Für AUTOSUGGESTION aber braucht man das UNBEWUSSTE, und das lässt mitnichten alles mit sich machen. Es ist natürlich immer AUTOSUGGESTION dabei, weil die sich als angeborene geisteskreaft nicht abschalten lässt, aber bewusste, bedachte, verstandene und folglich effizient genutzte AUTOSUGGESTTION? Selbst der Schreiber des Artikels hat sich aus dem riesigen Potential der AUTOSUGGESTION nur ein Tröpfchen als "Gag" entlehnt. Wenn man AUTOSUGGESTION als solche erleben will,dann muss man sich die Ergebnisse von COUÉ anschauen. Wegen AUTOSUGGESTION in SEINER Qualität kamen jährlich mehrere zehntausend Hilfesuchende aus aller Welt nach Nancy, und aus den öffentlichen Sitzungen COUÉs wurden keine Misserfolge berichtet. DAS ist AUTOSUGGESTION. Da dürfen Herr Westerwelle und Frau Merkel und die anderen Politiker noch eine ganze Weile üben. Guten Erfolg wünscht dennoch

    Franz Josef Neffe

  • RT
    Rot-Grün tut gut

    Ich möchte Herrn Stefan Reinecke ins Gedächtnis rufen, dass Rot/Grün in NRW

    nichts mit der "Ära Schröder/Fischer"

    zu tun hatte.

    Das rot-grüne NRW wurde damals von

    Clement, Steinbrück, Vesper und Höhn

    regiert.

    Auch, wenn es da häufig geknirscht hat,

    es hat dem Land gut getan.

  • L
    Lando

    Die Koalitionszusage ist nichts mehr als ein Lippen-

    bekenntnis. Weder rot noch grün werden sich nach der

    Wahl scheuen ins fremde Bett zu gehen um nur an die

    Macht zu kommen.Thüringen und Saarland lassen grüssen.

  • F
    fireclay

    Rot-Grün will doch nichts anderes als dass die Agenda Politik die Sie begonnen haben weitergeführt wird. Anders kann man sich das wirklich nicht erklären.

  • OM
    Olaf Mertens

    Ich kann Stefan Reinecke nur zustimmen. Ich habe 20 Jahre lang bei jeder Wahl rot-grün gewählt aber spätestens seit der letzten Landtagswahl in Hessen sehe ich nicht mehr, wieso ich ein vermeintlich links-ökologisches Bündnis wählen soll, welches (bzw. dessen Protagonisten) dann im Zweifel immer lieber mit den Schwarzen koaliert bzw. diese direkt alleine regieren läßt, nur um nicht mit der Partei "die Linken" zusammenarbeiten zu müssen.

  • G
    glaser

    Dies ist eigentlich kein Kommentar, nur eine Anmerkung oder eher sogar Frage:

    Was habe ich unter einer "'gefakten' Richtungswahl" zu verstehen?

     

    Okay, mir ist schon klar dass der Autor diesen Ausdruck aus dem Englischen von "to fake"= etwas fälschen, herleitet, aber muss das wirklich sein? Wenn es sein muss, dann sollte das aber sicherlich anders geschrieben werden, denn so wie es hier steht denke ich zunächst an eine Herleitung von "Fakt" oder eine eingedeutschte Schreibweise von "fuck". Und beides ist doch wohl nicht intendiert, oder?

     

    Grüße, Marlies Glaser

  • HH
    Hen Hermanns

    Es wäre bei allem sehr hilfreich, wenn sich denn die Parteien dazu herablassen könnten, dem Wählervolk mitzuteilen, ob und mit wem sie koalitionswillig sind.

    Auch sonst fehlt jegliche konkrete Aussage. Konkret sind nur die Wahlplakate der Linken. Und leider auch die der Unsäglichen NRW-Nazis, die gegen Minarette sind und "Intensivtäter wegsperren" wollen. Grauenreich, das ganze.

  • S
    Staatsbürger

    Ob Rot/Grün oder Schwarz/Gelb: Die Richtung ist die gleiche, das Tempo und die Art unterscheiden sich ein wenig. Es wird sich eine soziale Ungerechtigkeit geleistet und vorangetrieben, welche Gesellschaft, Staat und Wirtschaft untergräbt. Das trifft auch auf das selbstshypnotische, mediale Gebaren zu.

    Folgen dieser kurzsichtigen Politik ist das erstarken der "Ränder" und der Politikverdrossenheit. Die Bundestagswahl hatte eine Wahlbeteiligung von nur noch 72,2 Prozent, die kleiner gewordene "Mitte" wandte sich dem populistischen Herrn W. zu oder wählte die organisierten Reste der Sozialdemokratie.

     

    Und so gehts weiter - wenigstens erledigt sich der "Exportweltmeister" in den kommenden Jahrzehnten als Problem für die europäischen Freunde durch seine peinliche Steuer- und Sozialpolitik, wie auch durch die fortschreitende Liberalisierung, selber.

  • A
    Amos

    Unter Schröder und Fischer hatten wir eine "Lobbykratie" und unter Merkel und Steinmeier hatten wir eine Lobbykratie. Und Gabriel schließt eine SPD/FDP

    Regierung nicht aus. Und das alles um die Linke auszupowern. -Den allen liegt doch nichts mehr an Werten. Die bewirken doch nichts mehr und warten alle "aufs Christkind".

  • B
    Bell

    Was, bitte schön, ist "gefakt"?